Glückwünsche aus Algier

Militante Islamisten begrüßten die Ermordung zweier algerischer Diplomaten im Irak. Die von Präsident Bouteflika angestrebte Amnestie ist nun gefährdet. von bernhard schmid, paris

Schweig still, du Sprachrohr des Teufels, du, der du Blut an deinen Händen hast, das Blut von Reinen.« Diese eher undiplomatischen Worte eröffnen eine schriftliche Botschaft an das algerische Staatsoberhaupt, Abdelaziz Bouteflika. In ihr rechtfertigt die »al-Qaida im Zweistromland« unter dem Jordanier Abu Musab al-Zarqawi erneut die »Hinrichtung« der beiden Diplomaten Ali Belaroussi und Azzedine Belkadi. Algeriens Botschafter und sein Attaché waren vor drei Wochen in Bagdad entführt worden.

Dem Mord an den beiden Diplomaten ging keine Forderung voraus. Empörung und Abscheu fielen in der algerischen Öffentlichkeit fast einhellig aus. Allerdings kam es in der politischen Klasse zu einer kurzen Diskussion darüber, ob es klug war, dass Präsident Bouteflika am 24. Juli eine Botschaft an die britische Königin Elisabeth II. richtete. Darin bot er »die Hilfe und die Mitarbeit der Sicherheitsdienste meines Landes, die eine wertvolle Erfahrung bei der Bekämpfung des Terrorismus gesammelt haben«, an.

Die Ermordung der beiden Repräsentanten Algeriens in Bagdad wurde drei Tage später bekannt gegeben. Doch sind algerische Sicherheitsexperten, die in der Tageszeitung Quotidien d’Oran zitiert werden, der Auffassung, dass die beiden ohnehin unwiderruflich »zum Tode verurteilt« und möglicherweise bereits tot waren, als Bouteflika den Briten Hilfe anbot.

In den neunziger Jahren hatten Teile der politischen Klasse der westlichen Großmächte die Regierung Algeriens beschuldigt, die Massaker der Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) an der Zivilbevölkerung selbst angeordnet zu haben, um ihre Gegner zu diskreditieren. Diese Behauptung ist nie stichhaltig bewiesen worden, ihr Hintergrund war das Ringen um Einflusssphären zwischen Europäern und US-Amerikanern. Dabei unterstützten beide Seiten mal das Regime und mal die Islamisten, der Vorwurf des Staatsterrorismus erschien dabei als probates Druckmittel.

Die algerische Regierung hat sich jedoch politisch wieder stabilisieren können, und da der Ölpreis seit Ende der neunziger Jahre von neun auf über 60 Dollar Dollar pro Barrel gestiegen ist, hat sie auch außenpolitisch eine stärkere Verhandlungsposition. Derzeit wird auf allen Seiten die gemeinsame Frontstellung gegen den Terrorismus betont.

Ein terroristisches Netzwerk wird nun auch in der Sahara vermutet, als führende Gruppe gilt der algerische GSPC, die Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf. Es gibt jedoch bislang keine Beweise dafür, dass der al-Qaida zugeschriebene Aktionen in der Region wie der Überfall auf einen mauretanischen Armeestützpunkt Anfang Juni tatsächlich einen islamistischen Hintergrund hatten. Während des gesamten Bürgerkriegs der neunziger Jahre konnten bewaffnete Islamisten, die meist aus den Großstädten kamen, nie in der Sahara Fuß fassen.

Der GSPC, die letzte verbliebene bewaffnete Islamistengruppe, ist jedoch mit wenigen hundert Mitgliedern weiterhin aktiv. Er spaltete sich 1999 von den GIA ab und versuchte, einen politischen Kader herauszubilden, der nicht so unmittelbar in Massaker und die kriminelle Ausplünderung der Bevölkerung involviert war wie die Reste der GIA. Wahrscheinlich erhielt der GSPC dabei finanzielle Hilfe von al-Qaida oder ihrem Umfeld, das Netzwerk ist interessiert an der Zusammenarbeit mit Gruppen, die im nationalen Kampf um die Macht gescheitert sind und eine neue Orientierung suchen.

Im Internet manifestierte der GSPC »seine herzlichen Glückwünsche für unsere Brüder von al-Qaida für diesen heroischen Akt des Jihad«, die Entführung der Diplomaten. Diese Glückwünsche dürften in der algerischen Innenpolitik Folgen haben. Im November vorigen Jahres hatte Präsident Bouteflika eine Generalamnestie angekündigt, von der alle Islamisten profitieren sollten, die bewaffnet gekämpft haben. Die Amnestie sollte einen definitiven Schlussstrich unter die Konflikte der neunziger Jahre ziehen. Das wurde auch von westlichen Investoren gefordert, um eine längerfristige Stabilität zu garantieren. Bouteflika will sich zudem als überparteilichen Einiger der Algerier in Szene setzen, was es dem Präsidenten erleichtern könnte, die von ihm geplante Verfassungsänderung durchzusetzen. Bouteflika will das Amt des Premierministers abschaffen und alle politische Macht an sich ziehen.

Die Initiative soll auch beweisen, dass die algerische Armee, deren Führung wenig von einer Generalamnestie hält, in ihrer innenpolitischen Rolle beschränkt worden ist. In vielen westlichen Hauptstädten sähe man sehr gerne, wenn die Macht des auch ökonomisch einflussreichen und an einem Erhalt der Staatswirtschaft interessierten »sowjetischen Dinosauriers« zugunsten der wirtschaftsliberalen Politiker in der Umgebung Bouteflikas zurückgedrängt würde.

Dieses Vorhaben ist nun gefährdet. Ein Großteil der Presse wendet sich nach den jüngsten Ereignissen gegen die Perspektive, dass auch die Aktivisten des GSPC unter eine künftige Amnestie fallen könnten. Wenn derzeit von »nationaler Aussöhnung« die Rede ist, dann eher im Hinblick auf die frühere Unruheregion Kabylei. Dieser berbersprachigen und überwiegend antiislamistischen Region sind in den letzten Wochen mehrere Zugeständnisse gemacht worden. So hat die Regierung eingewilligt, die »illegitimen« lokalen Parlamente aufzulösen, die 2002 gebildet worden waren, nachdem über 90 Prozent der kabylischen Bevölkerung die Wahlen boykottiert hatten. Und vergangene Woche wurde ein umfangreiches Zusatzbudget für die Region bewilligt.