Deutschland in die EU!

Die Deutschen zur Räson zu bringen, mag erst in Jahrtausenden gelingen. Der Versuch sollte dennoch fortgesetzt werden. von stefan ripplinger

Von den Türken haben wir nun schon einige Male gehört, sie seien ein kriegerisches und heidnisches Völkchen, das nur dank seiner militärischen Expeditionen mit Europa verbunden sei. Doch ist es schon einige Jahre her, dass die Türken vor Wien standen. Hingegen standen die Deutschen vor noch nicht einmal einem Menschenalter in ganz Europa, und heute stehen sie auch schon wieder überall. Die Frage muss erlaubt sein: Sind denn die Deutschen überhaupt Europäer?

Um zu erfahren, was ein Europäer sei, wendet man sich am besten an den europapolitischen Sprecher der CDU/CSU, Peter Hintze. Europäische Kultur bestehe, so Hintze, aus »griechischer Philosophie, römischem Recht, den Erkenntnissen der Aufklärung und dem christlichen Verständnis vom Menschen«. Das sind aber, mit Ausnahme der Aufklärung, alles Güter, die, den Türken seit den Tagen von Konstantinopel wohl vertraut, in Deutschland nichts gelten.

Von den griechischen sagte der deutscheste aller deutschen Philosophen, Johann Gottfried Herder, sie »flickten willkürlich an Sittlichkeit und Religion, als ob diese erst ganz von ihrem Geschwätze und System abhinge«. Diese kecke Sophisterei komme für die unter dem regnerischen Himmel des Nordens lebenden, an ihren Jahrtausende alten Sitten und Göttern festhaltenden Deutschen keineswegs in Frage.

Die Römer sind nicht besser gelitten. Zwar ließen sich die germanischen Stämme von ihnen erst geduldig unterwerfen. Doch just in dem Moment, in welchem die Römer bei ihnen Zivilisation einführen wollten, lockte Arminius den Varus in einen Hinterhalt. Knechtschaft ja, Zivilisation nein, das blieb die deutsche Devise. Die von einigen Schulfüchsen eingeführte oströmische Rechtslehre wurde denn auch mit dem 1. Januar 1900 in Deutschland aus den Gerichten verbannt; wie die Deutschen deren vornehmste Regeln: »ehrenhaft leben, niemanden verletzen, jedem das Seine gewähren« ausgelegt haben, ist bekannt.

So hat allein die Aufklärung auf deutschem Boden Fuß gefasst, denn daran, dass ein »christliches Verständnis vom Menschen« dort heimisch sei, dürfen bei einer Kultur, deren Elite in Bayreuth heidnische Götzenopfer feiert und deren beliebtester Schriftsteller, Martin Walser, damit prahlt, in »ungetaufter Sprache« zu schreiben, durchaus Zweifel bleiben.

Aber werden denn die Urwälder nie gerodet? War alle Mühe, die Deutschen zu zivilisieren, umsonst? – Das nun nicht, aber man darf nicht mit raschen Erfolgen, sondern muss in Jahrtausenden rechnen. Wer die Deutschen zur Räson bringen will, muss sich immer so unbehaglich fühlen wie der Heilige Remigius, als er den Frankenkönig Chlodwig taufte. Der schlotternde Remigius hatte nicht nur den schnauzbärtigen König mit Wasser zu bespritzen, sondern gleich noch 3 000 seiner bis an die Zähne bewaffneten Krieger. So nahm er all seinen Mut zusammen und rief: »Beuge dein Haupt in Demut, stolzer Sigamber, und verehre von nun an, was du bisher verbranntest, und verbrenne, was du bisher verehrtest!« Chlodwig verstand aber nur Brennen und Morden und eilte aus der Kathedrale zu Reims, um seine Vettern, die Alemannen, niederzumetzeln. Die Alemannen waren keine Katholiken.

Je weiter es nach Osten ging, umso zäher verlief die Christianisierung, umso mehr heilige Eichen mussten gespalten werden, und Konrad Adenauer hat mit gutem Grund gesagt, dass in Berlin noch Menschenopfer dargebracht wurden, als es in Köln längst einigermaßen zivil zuging. – Einigermaßen, denn dass, wie Novalis schrieb, die »wildesten, gefräßigsten Neigungen der Ehrfurcht und dem Gehorsam gegen Worte gewichen seien, ist bloß fromme Einbildung. Die Wildheit wich den Worten, wenn mit der Keule nachgeholfen wurde. Sobald es aber an Zuspruch und Keile fehlt, laufen die Deutschen aus der Welt und in den Wald. Sie erfanden sich dann auch ihr eigenes Christentum, um ungestört wursteln und wüten zu können. Wäre Morgenthaus Plan verwirklicht worden, wäre heute schon wieder alles verwaldet. Und was dann mit der Zeit aus den Wäldern gekrochen käme – man will es sich nicht ausmalen. Deshalb müssen die Deutschen in der EU bleiben: Sie sollten niemals aus der Welt entlassen werden.