Miese Show

Statt großem Kino gibt es Wadenbeißerei um die Macht und ödes Bauerntheater fürs Volk. Das Abtreten Schröders muss fürs Publikum noch inszeniert werden. von martin schwarz

Was war los mit Gerhard Schröder in der Elefantenrunde der ARD? Lief der größte aller Elefanten Amok? Mit jedem Wort trampelte er über die ohnehin schon arg leidende Angela Merkel hinweg, vernichtete sie und ihre Hoffnungen auf die Kanzlerschaft. Kurzfristig jedenfalls. Mit einer Maximalforderung ging die SPD in die Sondierungsgespräche für die Zusammenstellung der Bundesregierung. Schröder als Kanzler – oder keine Koalition. Das war jedoch kein Spektakel, kein Glamour, keine Show, wie manche meinen. Das war geschickt: Wohl wissend, dass der Anspruch auf die Kanzlerschaft als zweitstärkste Fraktion nicht zu halten ist, möchte die SPD die CDU in die Knie zwingen – zumindest politisch.

Zwar wird Gerhard Schröder in wenigen Wochen viel Zeit für Frau und Kinder haben, doch die wirkliche Verliererin der Konfrontation wird dann wohl im Kanzleramt sitzen: Angela Merkel. Geschmückt mit dem würdevollen Amt der Bundeskanzlerin, aber doch nur ein Zirkuspferd am Karren der SPD, die mit einem Verzicht auf das Amt viel mehr politische Forderungen durchsetzen können wird als die CDU. In spätestens einem Jahr dürfte dann Angela Merkel als CDU-Vorsitzende Vergangenheit sein und geschwächt in die nächsten Wahlen gehen müssen.

Doch das ist nur eine Sicht der Dinge: Tatsächlich haben in Berlin die Staatsschauspieler die Macht übernommen, und sie alle wirken mit in einem Stegreif-Spiel mit ungewissem Ausgang. Das ist aber kein Hollywood, das ist volkstümliches Bauerntheater. Die Parteien haben sich selbst hineinbugsiert in dieses unwürdige Spiel, weil sie an die demoskopischen Prognosen geglaubt hatten. Wir erinnern uns etwa an Guido Westerwelle, der noch wenige Tage vor der Wahl auf die Frage, was denn passieren würde, wenn Schwarz-Gelb nicht ausreichend Stimmen bekommt, antwortete: »Dann gehen wir in Opposition.« Wir erinnern uns an Angela Merkel, die immer wieder darauf bestand: »Eine große Koalition wird es nicht geben.« Sowohl Westerwelle als auch Merkel waren überzeugt: Nur noch wenige Tage würden sie von der unumschränkten Macht trennen, die Wahl sei nur noch eine Formalität, eine unangenehme Nebenerscheinung der Demokratie. Gerhard Schröder sei ohnehin schon »dead meat« und Rot-Grün am Ende. Nur mit letztgenanntem behielten die beiden Hobby-Staatenlenker recht. Doch sonst traf keine ihrer Prognosen zu.

Man stolperte burlesk über die Bühne, egal, das Publikum erfreute sich trotzdem, auch wenn es kaum mehr etwas verstand. Ganz ähnlich also wie beim Ohnsorg-Theater. Jetzt sind für alle Parteien ihre zuvor noch starren Argumente hinfällig. Nur wer jetzt seine Prinzipien über den Haufen wirft, kann noch zu Macht gelangen. Weder Merkel noch Westerwelle haben mit dem cäsarisch-fulminanten Machtanspruch Gerhard Schröders gerechnet. Das hat ihr Drehbuch erneut durcheinander gebracht und behindert nun die Bildung einer großen Koalition.

Doch letztlich ist die entscheidende Frage: Was wird übrig bleiben von dem Machtanspruch? Eine »israelische Lösung«, mit viel Würgen hervorgebracht, die einen Kanzlerwechsel nach zwei Jahren ermöglicht, eine Übergabe der Stafette also von Schröder an Merkel? Was sollte das bringen? Gerhard Schröder hat mit seiner Neuwahl-Ankündigung vom Mai seinen Kniefall vor der Demokratie gemacht, er hat einiges auf den Weg gebracht, für das er später gewürdigt werden wird. Weshalb also nun das Beharren auf der Macht? Schon jetzt nämlich zeigt sich, dass die CDU einiges zugestehen wird, um Angela Merkel die Kanzlerschaft zu sichern. Die Gerd-Show hat ihren Zweck erfüllt, mehr kann die SPD nicht erreichen: eine Positionsüberprüfung der CDU, ein immer lauter vernehmliches Messerwetzen der CDU-Landesfürsten, die der schwachen Angela Merkel lieber heute als morgen den politischen Garaus machen wollten, und die Chaostruppe FDP ist weg vom Fenster.

Freilich wird eine große Koalition die Probleme nicht lösen, aber sie wird sie effizient verwalten. Zu verhindern ist sie ohnehin nicht mehr – es sei denn, die SPD treibt das Land in Neuwahlen. Deren Ausgang aber wird sich vom Ergebnis der letzten Wahlen wohl nicht wesentlich unterscheiden. Das Publikum liebt schließlich Possen und Wiederholungen.