Chor mit Schwestern

Österreichs Nationalhymne soll einen geschlechtsneutralen Text erhalten. von martin schwarz

Maria Rauch-Kallat, Österreichs Familienministerin, ist bisher nicht wirklich durch visionäre Ideen aufgefallen. Gesegnet mit dem geistigen Horizont eines Fischstäbchens, gilt die Ministerin als Exekutorin der Wünsche von Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Offensichtlich hat exakt jener Bundeskanzler, der das Frauenministerium bei seinem Amtsantritt als eigenständige Institution abschaffte und in ein Familienministerium integrierte, nun den Wunsch, den Frauen ein wenig zu schmeicheln. Weil aber tatsächliche Gleichstellungspolitik von einer rechtskonservativen Regierung wie der österreichischen nicht durchgesetzt wird, kamen Schüssel und Rauch-Kallat auf die grandiose Idee, einfach den Text der Bundeshymne geschlechterneutral zu gestalten.

Das tut politisch nicht wirklich weh, hat keinerlei Auswirkungen auf die Politik der Regierung, nützt aber den Frauen im Lande auch nichts. Eine perfekte österreichische Lösung also. Spätestens am 26. Oktober, zum österreichischen Nationalfeiertag, soll eine Arbeitsgruppe nun einen neuen Text vorlegen, den Schüssel und seine Regierungstruppe dann auch gleich in neuer Fassung singen können. Der Text zu Österreichs Bundeshymne wurde zwar von einer Frau, Paula von Preradovic, geschrieben, die Schwestern wurden jedoch von ihr nicht eigens erwähnt, weil dies nicht den sprachlichen Gepflogenheiten der damaligen Zeit entsprach. Elfriede Jelinek, österreichische Literaturnobelpreisträgerin und scharfe Kritikerin der gegenwärtigen Regierung, unterstellte Rauch-Kallat gar so etwas wie feministisches Macho-Gehabe: Wenn ein Mann den Text zur österreichischen Bundeshymne geschrieben hätte, wäre die Initiative der Bundesregierung wohl kaum zustande gekommen.

Worum geht es also beim musikalischen Gender Hopping? In der österreichischen Bundeshymne werden in einigen Passagen alleine die Männer ehrenvoll gewürdigt, doch die Frauen großteils vergessen. So heißt es etwa über Österreich: »Heimat bist du großer Söhne.« Rauch-Kallat wird daraus machen: »Heimat bist du großer Töchter, Söhne«. Aus den »Brüderchören«, die ebenfalls in der Hymne vorkommen, soll auch etwas Neutrales werden. »Brüder- und Schwesternchöre« wird wohl nicht funktionieren, möglich wären also »Menschenchöre« oder – man muss immer mit dem Schlimmsten rechnen – »Personenchöre« oder einfach »Geschwisterchöre«. Will man allerdings auch evolutionär korrekt bleiben, würde sich die Hobbydichterin Rauch-Kallat vielleicht auch mit »Homo-Sapiens-Chöre« begnügen. Auch das »Vaterland«, das da besungen wird, müsste konsequenterweise entschärft werden. Derzeit wird als Ersatz das Wort »Heimatland« geprüft.

Zwar ist die Textänderung der Bundeshymne das derzeit am heißesten diskutierte Thema der österreichischen Innenpolitik, allerdings mündete die hübsche Initiative der Regierung nun in einen kleinen Koalitionskrach. Bundeskanzler Schüssels Koalitionspartner, das »Bündnis Zukunft Österreich« (BZÖ), fürchtet, bei den nächsten Parlamentswahlen im kommenden Herbst mangels Wählern endgültig aus dem Hohen Haus zu fliegen, und erblickt daher in der Aktion der Familienministerin eine Kampagne, die man angreifen und gegen die man ein wenig hinterwäldlerisch opponieren kann. So forderte etwa Sozialministerin Ursula Haubner, nebenberuflich Schwester von Jörg Haider, gar eine Volksabstimmung über die Textangleichung. »Man sollte die Frauen fragen, ob sie sich wirklich diskriminiert fühlen«, meinte Haubner. Ihr Bruder nannte die Idee mit der Textänderung schlicht »Schwachsinn«. Vielleicht sollte man tatsächlich eine Volksabstimmung zum Thema machen. Es wäre allerdings erstaunlich, würden Frauen sich ausgerechnet wegen des Textes der Hymne diskriminiert fühlen, denn Gender Mobbing kennt auch in Österreich andere Ausdrucksformen als ausgerechnet das nationale Liedgut. Kritik kommt auch von der Opposition: Die österreichischen Sozialdemokraten werfen der Regierung schlicht blinden Aktionismus vor. Man wünsche sich »das gleiche Engagement auch für die wirklich brennenden Lebensfragen und Alltagsprobleme« von Frauen. Gerade erst hatte das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut angemahnt, dass die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen immer gravierender würden.

Weil sich nun aber Jörg Haider als Parteichef des kleinen Koalitionspartners BZÖ querlegt, wird die Initiative zur Textänderung ohnehin das Zeitliche segnen. Schließlich benötigt die Angelegenheit zumindest einen Ministerratsbeschluss, den es aber mit den Kabinettsmitgliedern der BZÖ aller Voraussicht nach nicht geben wird. Insofern wird Bundeskanzler Schüssel auch am Nationalfeiertag die Heimat der Söhne besingen.

Für die meisten Österreicher und Österreicherinnen dürfte die Angelegenheit sowieso ein verspäteter Versuch zur Auffüllung des medialen Sommerlochs gewesen sein, denn Österreichs Hymne ist in der Alpenrepublik nicht sonderlich populär. Vielmehr haben die Österreicher zumindest seit 1992 eine inoffizielle Hymne, die nach einschlägigen Umfragen wesentlich populärer ist. Geschrieben hat sie Rainhard Fendrich, das österreichische Pendant zu Peter Maffay: »I am from Austria« heißt sie und ist ein erschütterndes Zeugnis der Heimatverbundenheit des auf Mallorca lebenden Fendrich. Darin wird immerhin strikt geschlechterneutral die österreichische Wirklichkeit besungen. »Ich kenn’ die Leut, ich kenn’ die Ratten«, jodelt da Fendrich und bekennt: »Ich bin dein Apfel, du mein Stamm.« Dagegen wird selbst Rauch-Kallat nichts einzuwenden haben.