Es gibt Zeichen der Annäherung

Interview mit klaus ziemer, dem Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Warschau

Gefährdet die künftige rechte Regierung in Warschau die deutsch-polnischen Beziehungen?

Die neue Regierung hat sicher wenig Erfahrung im Umgang mit ausländischen Partnern, insbesondere auch mit Deutschland. Es gibt nur wenige, die mit dem Westen vertraut sind. Die daraus resultierende Unsicherheit kann für den einen oder anderen kräftigen Ausspruch in den letzten Wochen verantwortlich sein. Man sollte das nicht so sehr auf die Goldwaage legen.

Sind Sie beunruhigt, wenn Präsidentschaftskandidat Lech Kaczynski Deutschland neben Russland als die »größte Gefahr« für Polen bezeichnet?

Deutschland und Russland auf eine Stufe als Bedrohung für Polen zu stellen, entspricht einem traditionellen Wahrnehmungsmuster, das in der Zwischenkriegszeit seine Berechtigung haben mochte, aber an der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts mit Polens Mitgliedschaft in der EU und der Nato völlig vorbeigeht. Die Äußerung zeigt jedoch, in welchen Kategorien zumindest einige Angehörige der neuen Regierung denken.

Sie finden sich freilich in jüngster Zeit bestätigt durch die geplante Gaspipeline von Russland durch die Ostsee nach Deutschland. Die Polen wurden dazu kaum konsultiert, sondern haben aus der Zeitung davon erfahren. Und das bei nicht dementierten Berichten, dass die Leitung über die Ostsee fünfmal so teuer sein soll wie auf dem Landweg und dass sie ökologisch höchst bedenklich ist. Da fragt man sich in Polen: Was führen die Deutschen im Schilde? Diese Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland über die Köpfe Polens hinweg muss hier zumindest Erstaunen auslösen.

Die Kaczynski-Zwillinge brüsten sich nicht nur damit, dass sie keinen Kontakt zu deutschen Politikern hätten, sondern sie hatten auch tatsächlich kein Interesse an einem Gespräch mit Angela Merkel und Horst Köhler, als diese vor wenigen Wochen kurz hintereinander nach Warschau kamen.

Dabei mag es sich um Berührungsängste handeln, die offensiv gewendet werden. Sie wollen Stärke demonstrieren, was es natürlich mitnichten ist. Da wäre es gut, wenn deutsche Politiker mit entsprechendem Verständnis für die andere Seite versuchen, diese Situation zu bereinigen.

Es ist nicht zu bestreiten, dass der Zweite Weltkrieg und die unmittelbare Zeit danach in Polen ein ganz wichtiges Thema darstellen. Das geplante »Zentrum gegen Vertreibungen« hat da zusätzlich als Katalysator gewirkt. Es ist zu hoffen, dass gerade die Initiative der Bischöfe in der vorletzten Woche eine wichtige Rolle spielen wird. Sie haben betont, man solle auf keinen Fall gegenseitige Aufrechnungen betreiben, sondern die Vergangenheit im Sinne der Versöhnung aufarbeiten. Das war ein ganz wichtiges Signal der katholischen Bischöfe beider Seiten, wie schon der evangelischen kurz zuvor, das die polnischen Medien an prominenter Stelle gebracht haben.

Sind Sie optimistisch, was die Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen betrifft?

Ich glaube, dass die Beziehungen mittelfristig tatsächlich gut werden können, weil die grundsätzlichen Interessen beider Seiten weitgehend übereinstimmen. Es gibt Unterschiede in der Beurteilung der Rolle der USA, auch der transatlantischen Beziehungen. Darüber muss man reden. Aber in der öffentlichen Diskussion wird zu wenig die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die wachsende Intensität der Beziehungen zwischen den beiden Gesellschaften gesehen. Es gibt sehr viele Zeichen von Annäherung, Versöhnung und Zusammenarbeit, auch in den früheren deutschen Gebieten, die für sich genommen nicht so spektakulär sind, die aber doch einen größeren Umfang haben, als man vielfach denkt.

interview: oliver hinz