Hund sein, Dreck werden

Stumpfes Scheppern statt mehrdeutigem Schillern: »The Stooges« und »Fun House« als Rerelease. von felix klopotek

Über die Sex Pistols kursiert die Anekdote, dass sie sich von ihrem Label ein Treffen mit Pete Townshend, Mastermind und Gitarrist von The Who, vermitteln ließen. Townshend ging fest davon aus, dass die Punks ihn mächtig zur Sau machen würden, schließlich war The Who in den Siebzigern einfach eine schlechte Monsterrock-Band. Es kam anders. Die Pistols ergingen sich in Bewunderung und überschwänglichem Lob, und Pete Townshend wies, so der Augenzeuge Jon Savage, irritiert darauf hin, dass die Gesetze der Kulturrevolution doch von ihnen erforderten, ihm jetzt in den Arsch zu treten. Es gibt zahlreiche solcher Anekdoten über den (frühen) Punk. Sie demonstrieren, wie sich in der radikal abweisenden Musik mit ihrer hermetischen Ästhetik des Purismus eine Mehrdeutigkeit auftut. Das macht den Reiz dieser Geschichten aus. Da gibt es Punks, die sich zu den Rockrebellen der Sechziger bekennen oder eine große Affinität zu Ska und Reggae offenbaren, und es gibt Alben, auf denen die Verbindung von Disco und Punk oder Soul und Punk und erst recht Dub und Punk schlagartig hervortritt. Das ist faszinierend: Eine Musik, die als prinzipiell kompromisslos und nicht kommunikationsbereit gilt, zeigt die Möglichkeit des Zusammenschlusses grundverschiedener Haltungen auf.

Bei den Stooges, jener legendären Band um den jungen Iggy Pop, scheint es sich anders zu verhalten. Sie stammten aus einem sehr offenen musikalischen Milieu und haben, als es darauf ankam, im Studio, während der Produktion ihres ersten Albums, den Sack zugemacht: keine Mehrdeutigkeiten mehr, sondern maximale Klarheit. Keine Bündnisse, sondern Ekel und Ablehnung. Keine Koketterie, sich musikalisch immer weiter zu öffnen (wie The Clash), sondern ostentatives Bekenntnis zur Stumpfheit. Die Plattenfirma hat dabei mitgeholfen und auf die Detroiter Freaks ordentlich Druck ausgeübt, endlich Rock’n’Roll zu spielen.

Die Band hat diese Herausforderung auf geradezu autodestruktive Weise angenommen. Die ersten beiden Stooges-Alben sind wiederveröffentlicht worden: »The Stooges«, 1969 eingespielt und veröffentlicht, und »Fun House«, das ein Jahr später folgte. Die Re-Issues sind vorzüglich ausgestattet mit vielen Fotos, informativen Linernotes und vor allem mit zahlreichen bisher unveröffentlichten Aufnahmen. Genug Stoff für neue Anekdoten. Man erfährt, dass die Stooges »The Psychedelic Stooges« hießen und eigentlich keine Band, sondern eine Performancegruppe waren, die urban-tribalistische Tänze aufführte und von gemeinsamen Auftritten mit dem Sun Ra Arkestra träumte. Ein verkleideter und geschminkter Iggy sprang auf Metallteilen herum, Ron Asheton drosch nicht mehr als zwei Akkorde auf seiner Gitarre, und die anderen Jungs, Scott Asheton und Dave Alexander, hämmerten auf Ölfässer. Es gab keine Songs, nur ein paar Riffs, die jeden Abend aufs Neue rausgehämmert wurden und die einzig der Trance dienten. James »Iggy« Osterberg war ein Tänzer, kein Sänger. Niemand wettete einen Cent auf die musikalische Zukunft der Jungs. Als ein Talentscout sie im Zuge des angehenden Hypes um ihre Freunde MC5 ebenfalls für Elektra unter Vertrag nahm, war das noch nicht mal ein schlechter Scherz.

Es war grotesk. Die Band, die keine Songs hatte und kaum Erfahrung mit konventionellen Instrumenten, ging im Frühjahr 1969 in ein New Yorker Studio, wo sie der Velvet-Underground-Aussteiger John Cale als ihr Produzent begrüßte. Die Band formte ihre Freak Outs zu fünf Songs und schrieb eine Nacht vor ihrem letzten Studiotermin noch drei neue. Die Plattenfirma hatte schlicht beschlossen, keine Platte mit ekstatischen Ausschweifungen zu dulden, und verlangte mehr Songmaterial. Tatsächlich ist das Debütalbum, von dem Grabesgesang »We will fall« abgesehen, purer Punk. Geradeaus, flach, anspruchslos, ohne Pathos. Es scheppert hart, schnell und stoisch, und Iggy singt mit einer Mischung aus Ekel und Langeweile, was sich bis dato niemand, kein Bob Dylan, kein Lou Reed und kein Mick Jagger getraut hat.

Leuten, die damals das Album in die Finger kriegten – es wurde ein richtiger Flop –, kam ein Titel wie »I wanna be your dog« hochgradig albern vor. In der Zeit der freien Liebe und der politisch aufgeweckten Studenten wurde diese kaputte Geste der Unterwerfung schlichtweg nicht verstanden.

Wer die Outtakes hört, entdeckt, wie viel Spielraum es vor der veröffentlichungsgenehmen Version gegeben hat. Da sind die vier Abmischungen, die John Cale vorgenommen hat, die aber von Iggy persönlich zurückgewiesen wurden: nicht rockig genug! Tatsächlich hat Cale »No fun«, »1969«, »I wanna be your dog« und »Little doll« weicher abgemischt, die sägende E-Gitarre Ron Ashetons ist nicht so präsent, das Schlagzeug klingt voller, der Gesamteindruck ist etwas diffuser. Cales Bearbeitungen klingen heute ungemein subtil: Es sind Interpretationen, die der Musik einen gewissen Teenage-Pop-Appeal unterschieben.

Iggy muss das geahnt haben und entschied sich für harte, trockene, wenn man so will, spannungsarme Varianten. Wenn schon Rock, dann so stumpf und unsentimental wie möglich. Noch beeindruckender sind die Versionen, die »No fun« und »Ann« in voller Länge präsentieren. Hier kommt die Idee, dass die »Songs« als Anlässe für Freak Outs dienen, voll zum Tragen: Punk als ritueller Tanz. Der von außen auferlegte und innerlich befolgte Zwang zum Rock sorgte für eine ungeheure Verdichtung. Keine Ausschweifungen mehr, sondern eine schier endlose Implosion.

Auf der Bühne wurde nicht mehr getanzt, Iggy zerkratzte sich jetzt die Hühnerbrust mit Scherben. »Ooh, I been dirt/ And I don’t care/ ’Cause I’m burning inside/ I’m just a yearning inside/ And I’m the fire o’ life/ Ooh, I’ve been hurt/ And I don’t care«, so geht eine seiner Beschwörungen. Andere Bands weigerten sich, nach den Stooges zu spielen, weil es im Publikum nichts mehr zu holen gab. Die Leute waren einfach fertig.

Das nächste Album sollte diese Verdichtung, den Umschlag von Rockenergie in Autodestruktion, zum Ausdruck bringen: »Fun House« – im Kern auf einem einzigen Riff basierend! – wurde akribisch geplant. Proben, Auftritte mit dem Material der Proben, weitere Proben. Die zahlreichen Outtakes, die sich auf der Wiederveröffentlichung finden, demonstrieren dies. Sie sind keine eigenständigen Varianten, sondern stehen für Stufen in einem Entwicklungsprozess. »Fun House« wird live im Studio eingespielt ohne Overdubs, die Wucht der Musik vermittelt sich direkt. Die Songs werden in der Reihenfolge aufgenommen, wie sie nachher auf dem Album erscheinen sollen; ein Song pro Tag. Die Gruppe gibt sich diszipliniert und konzentriert: Punk als harte Arbeit. Gleichzeitig beginnt mit »Fun House« der Abstieg, bereits bei den Aufnahmen sind die Musiker auf einem Dauertrip. Alkohol, LSD, Kokain. Heroin. Die Auftritte werden seltener, die Zusammenarbeit klappt nicht, Junkietum halt.

Ein Album gelingt ihnen noch, »Raw Power«, und diesmal ist es tatsächlich eine mehrdeutige Angelegenheit. Die Musik ist brachial, aber David Bowies Produktion zu weich, zu anti-rockistisch. Es gibt Fotos von den letzten Auftritten der Stooges Anfang 1974: Iggy mit geschminkten Lippen im Minirock. Danach konnte es – strenggenommen – nur mit den Sex Pistols weitergehen. Die Stooges gibt es wieder, die alten Männer sind gut drauf, allen voran der Gesundheitsapostel Iggy Pop. Seit zwei Jahren spielen sie live, auf Iggys letztem, überraschend frischem Album finden sich auch ein paar aktuelle Stooges-Aufnahmen. Heute geht es um Rock. Vielleicht auch darum, es den Strokes dieser Welt zu zeigen. Keine Kritik an dieser Stelle, die Musik macht wirklich Spaß. Die Zeit der Bündnisse, das schmerzhaft-produktive Ringen um Eindeutigkeit oder Polyvalenz ist schon lange vorbei.

The Stooges: The Stooges/Fun House. Rhino