Wohin mit dem Mammut?

Kunst zum Thema Tod im Palast der Republik

Ohne Frage haben die Kuratoren für eine Ausstellung zum Thema Tod mit dem Palast der Republik den geeigneten Ort gewählt. Das Schicksal des Palasts ist besiegelt. Das Gebäude, das wie kaum ein anderes DDR-Geschichte symbolisiert, von vielen Architekten mittlerweile nicht mehr für das Übelste in diesem Land gehalten wird und für Liebhaber der Siebziger Jahre eine Pilgerstätte ist, soll noch in diesem Jahr abgerissen werden. Bis zum 22. Oktober läuft die »Fraktale IV« und ist damit die letzte größere Ausstellung im Palast der Republik.

Das Ende der »Spaßkultur«, eine neue Ernsthaftigkeit, die Rückbesinnung auf »substanzielle Fragen an die menschliche Existenz« in einer Zeit des »Werteverlusts« seien die »Ziele« der Reihe, sagen die Kuratoren. Die erste Ausstellung hatte das Schwerpunktthema »Natur«, es folgten »Evolution« und »Metaphysik«. Ausstellungen zu solch schlagwortartigen Themen bringen die Gefahr der Beliebigkeit mit sich. Könnte die Plastik des verwundeten Mammuts, die zum Thema Tod ausgestellt ist, nicht auch in der Ausstellung zur »Natur« oder »Evolution« seinen Platz finden? In der aktuellen Ausstellung zum Thema »Tod« sind definitiv zu viele Knochen, Röntgenaufnahmen und Fotografien von Toten zu sehen. Zu kritisieren ist auch, dass der Kurator Ingolf Keiner seine eigenen Werke mit vier raumgreifenden Installationen auf der schönsten Plattform im Palast der Republik präsentiert.

Es gibt jedoch auch einige Exponate, die das Thema auf ungewöhnliche Weise behandeln. Stefan Berchtold hat einen 11 Meter tiefen Schacht optisch verlängert und simuliert, wie ein Mensch durch diesen virtuellen Schacht fällt. Der Künstler meint, dass wir, wenn wir vom Fliegen träumen, nie den Aufprall mitträumen, sondern immer nur den Flug oder Fall. Zwischenzustände hat auch Sid Gastl auf ihren Bildern mit menschenleeren Häuserzeilen thematisiert.

Zu den besten Arbeiten gehört Benjamin Bergmanns und Cornelia Ungers Video-Loop »Höllensturz«. Zunächst hat der Betrachter den Eindruck, vor einem vibrierenden Bienenstock zu stehen. Statt des Summens hört man ein vielstimmiges Stöhnen. Bei näherem Hinsehen erkennt man, dass lauter Schnipsel aus Pornofilmen zusammengesetzt wurden. Ein Gefühl von der Sinnlosigkeit der Evolution, der sich immer wieder vermehrenden und sterbenden Menschheit drängt sich auf. Stephan Huber hat mit »Kalte Kammer« eine der wenigen Arbeiten geschaffen, die auf den Ausstellungsort Bezug nehmen. Ein Kronleuchter pendelt wild hin und her, und das viel zu dicht über dem Boden. Die Assoziation eines Spukhauses, sehr passend zum leer stehenden Palast der Republik, liegt nahe.

Die Wahl des Orts birgt aber auch eine große Gefahr: Der entkernte Palast mit seinen rohen Eisenträgern, den riesigen, vollkommen verdreckten Fensterscheiben und abgesperrten, baufälligen Arealen ist imposanter als jedes der gezeigten Kunstwerke. Der Besucher verlässt die Ausstellung mit dem Gefühl, einen interessanten Rundgang durch Berlins hipste Ruine gemacht haben. Dass man dabei hin und wieder über ein Kunstwerk gestolpert ist, vergisst man spätestens beim Kaffeetrinken auf der Terrasse mit tollem Blick auf die Stadt.

tanja dückers

»Fraktale IV – Tod«. Bis 22. Oktober 2005