»Mit uns kann man nicht alles machen«

Renate Gensch

Ein Konsortium um den britischen Investor David Montgomery will den Berliner Verlag aufkaufen, in dem die Berliner Zeitung und der Berliner Kurier erscheinen. Der Observer nennt Montgomery, der in der Vergangenheit unter anderem die Mirror-Gruppe brachial sanierte, den »meistgehassten Manager im britischen Journalismus«. Auch die Belegschaft des Berliner Verlags lehnt ihn ab. Die Chefredakteure und Betriebsräte warnen vor »Heuschrecken« und fürchten um die journalistische Qualität und die Arbeitsplätze.

Markus Ströhlein sprach mit Renate Gensch, der Vorsitzenden des Betriebsrats des Berliner Verlags.

Ein Unternehmen soll verkauft und von einer anderen Gesellschaft übernommen werden. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Warum ist die Aufregung über den anstehenden Verkauf des Berliner Verlags so groß?

Erstmals soll eine deutsche Zeitung an eine Finanzinvestorengruppe verkauft werden. Das gab es noch nicht. Bisher haben Verlagshäuser Zeitungen erworben. Natürlich herrscht jetzt große Angst, da man weiß, wie diese Investoren arbeiten. Man denke nur an den Fall der Bundesdruckerei. Sie wurde von einer Fondsgesellschaft übernommen, die eine immensen Stellenabbau vornahm und dennoch den Betrieb an den Rand des Ruins führte.

Welche Folgen befürchten Sie, wenn das Konsortium um David Montgomery den Verlag übernimmt?

Zum einen könnte das Unternehmen filetiert werden, das heißt, einzelne Teilbereiche könnten verkauft werden. Zum anderen könnte die publizistische Qualität des Verlags sinken, wenn der Umfang der Zeitungen verringert würde oder Ressorts geschlossen würden. Dann stellt sich die Frage, wie das Konsortium die hohen Renditen erreichen will, die sie anstrebt und die sie den Anteilseignern verspricht. Das wäre nur möglich, wenn Personal eingespart würde. Um den Berliner Verlag zu kaufen, muss das Konsortium Kredite aufnehmen. Die Tilgung der Kredite müsste ebenfalls von uns erwirtschaftet werden.

Die britischen Interessenten haben bisher beteuert, die Berliner Zeitung in ihrer gegenwärtigen Form erhalten zu wollen. Weder solle das Unternehmen zerlegt werden, noch solle es Teilverkäufe geben.

Diesen Behauptungen stehen wir skeptisch gegenüber. Wir werden abwarten. Die Entscheidung soll innerhalb der nächsten zwei Wochen fallen. Das Konsortium um Montgomery hat das Exklusivitätsrecht bei den Verhandlungen.

Das Kölner Verlagshaus DuMont hat in der vergangenen Woche ein Angebot nachgereicht.

Wir hoffen, dass dieses Angebot bei den Verhandlungen berücksichtigt wird. Aber nach einem Gespräch mit Stefan von Holtzbrinck, dem Chef der Verlagsgruppe Holtzbrinck, in der vergangenen Woche sehen wir eher geringe Chancen. Wir haben ihn bei einem Empfang des Fischer-Verlags getroffen, der ebenfalls zu Holtzbrinck gehört. Auf diesem Empfang haben wir gegen den Verkauf protestiert und sind bei den Gästen auf eine durchweg positive Resonanz gestoßen.

Denken Sie, dass Ihr Protest die Entscheidung beeinflussen wird?

Wir hoffen und glauben es. Ein Investor ist inzwischen abgesprungen. Es geht aber auch darum, die öffentliche Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Die Entscheidung ist ein Politikum. Eine Zeitung ist auch ein Kulturgut, das es zu erhalten gilt. Die innere und äußere Pressefreiheit und die Medienvielfalt müssen gewahrt werden. Unter diesen Aspekten ist der Berliner Verlag wichtig und erfolgreich.

Sind weitere Protestaktionen geplant?

Zunächst nicht. Jetzt liegt es an uns als Betriebsrat, weitere konkrete Maßnahmen wie die Bildung von Redaktionsbeiräten voranzutreiben. Die Belegschaft ist über Jahre hinweg von der Holtzbrinck-Gruppe verschaukelt worden. Sie hat den Verlag übernommen, obwohl bereits im Vorfeld zu erwarten war, dass das Kartellamt Einspruch erheben würde. Jetzt heißt es bei Holtzbrinck, ihnen seien die Hände gebunden und sie müssten verkaufen.

In einem offenen Protestbrief der Belegschaft an David Montgomery heißt es: »Sie sind in unseren Betrieben nicht willkommen.« Was bedeutet diese Kampfansage für den Fall, dass das britische Konsortium den Zuschlag erhält?

Es geht darum, unsere Standards zu sichern. Unser Haustarifvertrag und unsere Betriebsvereinbarungen stehen fest und werden weiter gelten, auch wenn Herr Montgomery kommt. Er wird sich mit der Belegschaft und den Gewerkschaften auseinandersetzen müssen. Wir haben den Investoren gegenüber deutlich gemacht, dass wir sehr gut organisiert sind. Über 70 Prozent der Beschäftigten der Berliner Verlagsgruppe sind Verdi-Mitglieder.

Wie auch immer der neue Eigentümer heißen mag, er sollte sich darüber im Klaren sein, dass man mit uns nicht alles machen kann. Wir werden uns wehren. Für uns sind verschiedene Eckpunkte wichtig, so zum Beispiel der Erhalt der Verlagsgruppe, eine vernünftig ausgerichtete Marktstrategie für alle Produkte, die Sicherung der publizistischen Qualität und vor allem der Erhalt der Arbeitsplätze. Für uns ist der Ofen nach all den Sparprogrammen, die wir erlebt haben, aus. Wir haben uns in den vergangenen Jahren mit teilweise erheblichem Verlust von Arbeitsplätzen so konsolidiert, dass wir gut dastehen. Plötzlich werden wir jetzt zum Spekulationsobjekt.

»Die Belegschaft will keine Heuschrecken im Haus«, war kürzlich in einem Aufruf des Betriebsrats zu einer Protestaktion zu lesen. Stimmen aus dem Verlag sprechen davon, dass das angelsächsische Geschäftsmodell die deutsche Zeitungskultur zerstören würde. Kommentatoren fordern eine »nationale Lösung« für den Verkauf des Berliner Verlags. Ist die Verteidigung des Berliner Verlags eine »vaterländische Pflicht«?

Das ist Quatsch. Es gibt ein Angebot einer norwegischen Verlagsgruppe, gegen das wir uns nie ausgesprochen haben. Wir haben wiederholt klargestellt, dass unser Protest keine nationalistischen Motive hat. Wir wollen lediglich eine vernünftige Lösung. Wir sind offen für ausländische Verlagsgruppen. Was wir nicht wollen, ist ein Finanzinvestor mit völlig überzogenen Renditeerwartungen.

Unser Markt ist anders als der britische. Dort gibt es vorwiegend Regionalzeitungen und Boulevardblätter. Auf dem Berliner Markt gibt es eine Vielzahl von Publikationen. Hier muss man Qualität zeigen. Man muss sich täglich verkaufen. Daneben gibt es das Geschäft mit den Abonnements, das in Großbritannien völlig unbekannt ist. Die Berliner Zeitung ist die größte Abonnentenzeitung der Stadt. Auch der Kurier hat Abonnements eingeführt. Wir hatten im letzten Quartal eine Auflagensteigerung von 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Diese spezifischen Bedingungen muss man zur Kenntnis nehmen.

Mit dieser erfolgreichen Bilanz könnten Sie doch dem Verkauf gelassen entgegen sehen.

Es geht nicht darum, dass der Betrieb rentabel läuft. Die britischen Investoren erwarten 20 bis 30 Prozent Rendite. Das ist auf dem deutschen Markt nicht zu schaffen. Deshalb würden wir gern wissen, wie der Geschäftsplan der Investoren aussieht.

Hatte der Betriebsrat schon direkten Kontakt mit dem Konsortium?

Wir hatten die Investoren zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Sie haben sich sehr nett bedankt, aber abgesagt, da sie beim derzeitigen Stand der Verhandlungen nicht kommen könnten. Gerne würden sie uns aber kennen lernen und Gespräche mit uns führen. Sollte es zu diesen Gesprächen kommen, werden wir im Sinn der Belegschaft harte Forderungen stellen. Mecom ist inzwischen an Verdi herangetreten und will Gespräche führen.