Fast zu banal

Skandal um die Enttarnung einer CIA-Agentin von william hiscott

Was offenbar als Racheakt aus der Führung des Weißen Hauses gegen einen Regierungskritiker begann, hat sich spätestens am Freitag zu einem handfesten Skandal entwickelt. Wegen Vertuschungsversuchen in der so genannten Plamegate-Affäre wurde gegen Lewis Libby, den Stabschef des Vizepräsidenten Dick Cheney, Anklage erhoben. Der Vorwurf lautet: Meineid, Falschaussage und Behinderung der Justiz. Libby trat umgehend von seinem Amt zurück. Doch der Anklageschrift zufolge ist mindestens ein halbes Dutzend hoher Vertreter der Regierung in den Skandal verwickelt, unter ihnen Cheney selbst sowie Karl Rove, ein enger Berater des Präsidenten George W. Bush.

Es ist eine lange und etwas banale Geschichte. In seiner Rede zur Lage der Nation Anfang 2003 behauptete Bush, die irakische Regierung habe versucht, in Afrika waffenfähiges Uran zu kaufen. Für Bush und die so genannte Irak-Gruppe des Weißen Hauses, zu der auch Libby gehörte, war dies ein wichtiger Kriegsgrund. Sechs Monate später, nach der erfolglosen Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak, enthüllte der ehemalige Diplomat Joe Wilson in der New York Times, dass die CIA bereits Anfang 2002 einen solchen Urankauf als wenig glaubhaft eingestuft habe.

Er selbst war im Auftrag der CIA der Sache nachgegangen und konnte es nicht verstehen, warum Bush dennoch davon sprach. Einen Monat später schrieb der konservative Kommentator Robert Novak, dass Wilsons Ehefrau, Valerie Plame, bei der CIA arbeite und Wilson den Job besorgt habe. Erhalten habe er, Novak, seine Informationen von zwei ranghohen Regierungsmitgliedern. Weil Plame seinerzeit als Geheimagentin arbeitete, war die Preisgabe solcher Informationen illegal. Kurz darauf leitete das Justizministerium eine Untersuchung ein. Die Anklage gegen Libby ist deren vorläufiges Ergebnis.

Während der zweijährigen Untersuchung sprach mehr und mehr dafür, dass es sich bei Plames Enttarnung um einen Teil einer Strafaktion gegen Wilson handelte, die vom Büro des Vizepräsidenten organisiert wurde. In der Anklageschrift gegen Libby wird sogar behauptet, Cheney selbst habe die Information über Plame besorgt und an Libby weitergeleitet. Von ihm gelangten die Informationen über andere Mitarbeiter des Weißen Hauses an ein halbes Dutzend Journalisten.

Wegen dieses Geheimnisverrats hat der Sonderanwalt Patrick Fitzgerald bislang keine Anklage erhoben. Dies liegt seinen Angaben zufolge daran, dass das Gesetz, das die Enttarnung von Geheimdienstleuten durch staatliche Stellen unter Strafe stellt, sehr kompliziert sei. Angewandt wurde es übrigens bislang noch nie. Libby habe jedenfalls die Untersuchungen durch seinen Meineid maßgeblich erschwert, außerdem seien sie nicht abgeschlossen, so Fitzgerald. Schließlich könnten neue Beweise gefunden werden, etwa während einer Gerichtsverhandlung gegen Libby. Denn um seine Anklage zu stützen, wird Fitzgerald einen Großteil der »Irak-Gruppe« als Zeugen vorladen müssen.

Die Forderderungen nach einer Aufklärung der Affäre werden in den kommenden Tagen und Wochen anhalten, weil dieser Skandal unweigerlich mit offensichtlich vorgeschobenen Gründen für den Irak-Krieg zusammenhängt, Fragen nach der Rolle des übermächtigen Vizepräsidenten aufwirft und ein unrühmliches Licht auf eine Regierung wirft, die seit zwei Jahren mit Halbwahrheiten und Kampagnen gegen unliebsame Kritiker herumzulavieren sucht. Es ist fast schon ein Hohn, dass diese Regierung, der man weitaus Gravierenderes vorwerfen kann, durch eine derart banale Geschichte in die größte Krise ihrer Amtszeit gestürzt ist. Dem Kritiker kann’s nur recht sein.