Fesselnde Methoden

Wegen schwerer Rechtsverstöße in einer geschlossenen Einrichtung für straffällige Jugendliche stehen der Hamburger Senat und die Sozialbehörde in der Kritik. von andreas blechschmidt

In der guten alten Zeit war es in Hamburg so, dass die CDU den von der SPD geführten Senat regelmäßig wegen der Duldung »rechtsfreier Räume« heftig attackierte. Folgerichtig ist es seit dem Machtwechsel vor vier Jahren das Ziel der CDU, stramm konservative Ordnungspolitik in Hamburg durchzusetzen. Ein Prestigeprojekt in diesem Zusammenhang war die Wiedereinführung der »geschlossenen Unterbringung« für straffällige Jugendliche mit der Eröffnung der Einrichtung »Feuerbergstraße« im Januar 2003.

Das vermeintliche Erfolgsmodell »konsequenten Durchgreifens« gegen die Gewaltkriminalität Jugendlicher scheint sich zu einem Fall organisierter Behördenkriminalität zu entwickeln. Mussten sich die sozialdemokratischen Senate früherer Zeiten etwa die Hafenstraße als symbolischen Ort rechtspolitischen Versagens vorhalten lassen, hat der von der CDU geführte Senat seinen rechtsfreien Raum gleich in die eigene Sozialbehörde verlegt.

Als die für das geschlossene Heim verantwortliche Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) am 17. Oktober vor die Presse trat, musste sie nach einer anhaltenden öffentlichen Diskussion eine Reihe von schweren Rechtsverstößen eingestehen. In mindestens 13 Fällen waren Jugendliche bis zu zwei Wochen ohne Rechtsgrundlage in der Einrichtung festgehalten worden. Weiterhin musste die Senatorin über die rechtswidrige Vergabe von Psychopharmaka, illegale HIV-Zwangstests und die Fesselung einzelner Jugendlicher trotz eines ausdrücklichen richterlichen Verbots berichten.

Dass darüber hinaus Anwaltsgespräche verbotenerweise überwacht, das Briefgeheimnis systematisch missachtet wurde und Bedienstete einer Securityfirma anstelle von pädagogischen Fachkräften die Heiminsassen »betreuten«, mag der staunenden Öffentlichkeit schon fast als verzeihliche Nachlässigkeit erscheinen.

Mittlerweile droht das Ausmaß des Skandals den gesamten Senat zu belasten. Denn mit Schnieber-Jastram steht nicht nur die Zweite Bürgermeisterin in der öffentlichen Kritik, sondern zugleich auch eine der wenigen profilierten CDU-Politikerinnen mit einer eigenen Hausmacht in der Partei. Doch selbst Parteikollegen wie der ehemalige innenpolitische Sprecher der CDU, Karl-Heinz Ehlers, beklagen den »Dilettantismus in der Ausführung« der geschlossenen Unterbringung.

Sollte die ehemalige Bundespolitikerin ihren Posten räumen müssen, würden auf Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schwerwiegende Personalprobleme zukommen. Bereits jetzt bekleidet mit Klaus Meister ein SPD-Mitglied den wichtigen Posten des Staatsrats in der Sozialbehörde. Und ein unabhängiges Rechtsgutachten über die Zustände im geschlossenen Heim, das die Senatorin angesichts der Vorwürfe in Auftrag gab, soll mit Christian Bernzen ausgerechnet jemand erstellen, den die SPD gern zum Senator gemacht hätte.

Auch wenn sich Schnieber-Jastram einem Rücktritt entziehen kann, ist ihr Konzept des Wegschließens jugendlicher »Intensivtäter« gescheitert. »Es zeigt sich erneut, dass es dem Senat nur um das Wegsperren unbequemer Jugendlicher geht und an der Pädagogik gespart wird«, erklärt die Bürgerschaftsabgeordnete der Gal, Christiane Blömeke. Sie sitzt für ihre Partei in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der im Frühjahr noch wegen der damals ernormen Zahl an Fluchtversuchen aus der »geschlossenen« Einrichtung auf Drängen der Gal und der SPD eingerichtet wurde. Derzeit enthüllt der Arbeitsstab des Ausschusses täglich neue Details über die Zustände in der Einrichtung. Die Rechtsverstöße sind dabei so eklatant, dass mittlerweile die Staatsanwaltschaft ermittelt. Möglicherweise werden sich demnächst auch Behördenmitarbeiter wegen der Vorfälle in der Feuerbergstraße vor Gericht verantworten müssen.