Nachrichten

Tod einer Kritik

Martin Walser und Marcel Reich-Ranicki. Der neu entflammte Zwist zwischen Martin Walser und Marcel Reich-Ranicki ist fürs erste beendet. Reich-Ranicki hatte in der Bunten geäußert, Walser habe »sinngemäß geschrieben, dass die Juden, die den Holocaust überlebt haben, allein durch ihre Existenz ihren deutschen Zeitgenossen das Leben schwer machen. Mit anderen Worten: Er verübelt Juden, dass sie überlebt haben. Das ist durchaus kein Antisemitismus. Das ist schon Bestialität.«

Walser wollte diese Unterstellungen nicht auf sich sitzen lassen und reagierte mit einer Unterlassungsklage: Reich-Ranicki solle sich verpflichten, seine Äußerungen nicht mehr öffentlich zu wiederholen. Letztgenannter hat nunmehr erklärt, dass er das auch gar nicht vorhabe und dass er »keinerlei Bedürfnis nach einer weiteren Auseinandersetzung mit Martin Walser« verspüre. (aha)

Der neue Kohl

»Erinnerungen«. Weihnachten kommt bestimmt, und langsam kann man sich ja schon mal Gedanken über die richtigen Geschenke machen. Wie wär’s denn mit dem zweiten Teil der »Erinnerungen« von unserem Kanzler der Einheit, von Helmut Kohl, die eben erschienen sind und die Jahre 1982 bis 1990 behandeln? Lesen kann man das Buch wahrscheinlich nicht, 1 152 Seiten Kohl, das hält ja kein normaler Mensch aus. Aber man könnte den Riemen ja seinem ärgsten Feind schenken oder jemandem, der unnötige Bücher bereitwillig in einer Vitrine sammelt. Oder man schaut doch einmal selbst hinein in das Buch, in den Kopf von Helmut Kohl, das könnte ja auch ein echter Trip in die Weiten des Absurden sein. (aha)

I love New York

Village Voice. Wer nach New York geht, holt sich immer sofort die Village Voice. Die Zeitung gehört zu der Stadt wie ehemals das World Trade Center, und da New York so riesig und kompliziert ist, verspricht das Magazin wenigstens ein wenig Übersicht.

Ihren 50. Geburtstag hat die Village Voice soeben gefeiert, aber nicht nur mit Vergnügen. Denn das Blatt wurde gerade von dem Unternehmen New Times Media aufgekauft und hat damit seine Unabhängigkeit eingebüßt. Die Firma selbst wird sich nun so nennen wie das New Yorker Traditionsblatt, also Village Voice, und insgesamt 17 Zeitungen und Zeitschriften herausgeben.

An dem kritischen Stil der Village Voice wolle man nichts ändern, ließ der Riesenkonzern verlauten, aber derlei Lippenbekenntnisse hört man ja immer nach Fusionen. Und so unglaublich kritisch und abgefahren war das ehemalige Cheforgan der New Yorker Subkultur sowieso schon nicht mehr. Das Wochenmagazin lebte eher von seinem guten Ruf. Andere haben diese Stadtzeitung längst überall in der Welt kopiert, und manche von ihnen sind um einiges schärfer als die Village Voice heute. Auch der ehemals innovative Stil, eher subjektiv und gelegentlich voreingenommen über Kultur und Politik zu schreiben, ist längst auch bei anderen Magazinen selbstverständlich geworden.

Was der Village Voice jedoch niemand mehr nehmen kann, ist die Riege an hochkarätigen Autoren, die für sie geschrieben haben. Allen Ginsberg, Edward Albee, Norman Mailer, Philip Roth, solche Leute gaben sich für das Zentralorgan der New Yorker linksintellektuellen Kunst- und Politikszene her. Aber damals, in den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern war New York ja auch noch richtig aufregend. Heute jedoch geht sogar, so heißt es immer wieder, selbst in Berlin mehr ab als in der ehemaligen Welthauptstadt der Avantgarde. So ist es vielleicht nur zwangsläufig, dass es auch die Village Voice heute nicht mehr so recht bringt. (aha)

I love Istanbul

Du. Spätestens seit Fatih Akins Film »Crossing the bridge« gilt Istanbul als eine der aufregendsten Metropolen der Welt, in der man neben London, Paris und New York mindestens einmal in seinem Leben gewesen sein sollte. Nun waren auch noch wir mit der Jungle World dort, um eine ganze Türkei-Ausgabe zu produzieren, und seitdem scheint es kein Halten mehr zu geben. Das derzeit stattfindende Jazzfest in Berlin widmet sich dem neuen Sound aus Istanbul, und das Schweizer Oberstudienräte-Magazin Du widmet seine November-Ausgabe ebenfalls der Bosporusmetropole, der, so heißt es im Titel, »hippen Stadt am Horn«.

Es ist auch bei diesem Thema wie immer bei Du: Manche Texte sind interessant, die meisten jedoch äußerst behäbig und kulturbürgerlich. Für den Istanbul-Fan lohnt sich der Blick in das Magazin dennoch. (aha)

Höhlen-Horror

»The Descent – Abgrund des Grauens«. Die Hochzeiten des klassischen Horrorfilms sind leider vorüber. Nur noch selten schafft es ein echter Metzgerfilm in die Kinos, und wenn, dann handelt es sich dabei meist um ein Remake oder um etwas unglaublich Postmodernes wie die »Scream«-Trilogie Wes Cravens. Um so schöner, dass es mit »The Descent – Abgrund des Grauens« diese Woche endlich mal wieder ein richtig hübsch schmutziger Schocker in die Kinos geschafft hat. Der Film lief bereits auf dem diesjährigen Fantasy-Filmfestival und gehörte schon dort zu den Highlights.

Immerhin schafft er es, ein neues Subgenre zu etablieren, den Höhlen-Horrorfilm. Eine Horde hübscher Mädchen begibt sich auf einen Ausflug in ein Höhlensystem, man verirrt sich zunehmend hoffnungslos in diesem, und irgendwann müssen die Mädchen die Feststellung machen, dass sie nicht allein hier unten sind. In der klaustrophobischen Umgebung beginnt dann bald das Gemetzel, und man muss sich wirklich nicht beschweren, dass zu wenig Gewalt zu sehen sei. Eine echte Überraschung, dieser Film, der am 10. November in den deutschen Kinos anläuft. (aha)