Unsere Ehre heißt Otto

Otto Beisheim ist bekannt als einer der reichsten Männer Europas. Über seine mutmaßliche SS-Vergangenheit weiß man hingegen nicht viel. An der TU Dresden tobt nun ein Streit um ihn. von charlotte elliot und judith lauer

Am Münchner Platz, wo heute die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Technischen Universität Dresden untergebracht ist, befand sich zwischen 1939 und 1945 das Oberlandesgericht. Über 1 000 Widerstandskämpfer wurden an der dortigen Richtstätte umgebracht. Einer von ihnen war Georg Schumann, ein Mitbegründer der KPD in Leipzig, der im Januar 1945 nach einem Urteil des Volksgerichtshofs dort hingerichtet wurde. Heute ist der Bau nach ihm benannt. Doch Traditionspflege scheint in Dresden nach dem Prinzip der Ausgewogenheit zu funktionieren. Zumindest könnte man das eingedenk der Tafel vermuten, die sich am Eingang zum Festsaal der Fakultät befindet. »Otto-Beisheim-Saal«, ist dort zu lesen. In den vergangenen Monaten war sie Gegenstand einer Kontroverse zwischen der Antifa-Hochschulgruppe und dem Dekan der Fakultät, Wolfgang Uhr. Mehrere Tafeln mit jeweils unterschiedlichen Inschriften wurden abmontiert, angebracht und wieder abgenommen.

Bekannt wurde der 1924 geborene Otto Beisheim als Unternehmer. 1964 gründete er den Großhandelskonzern Metro Cash & Carry. Heute gilt er als einer der reichsten Männer Europas. Die Metro AG mitsamt ihrer Tochterfirmen Kaufhof, Media Markt/Saturn, Real, Extra und Praktiker hat 2 300 Filialen in 28 Ländern. Am Potsdamer Platz in Berlin ließ er als größter privater Investor das »Beisheim-Center« errichten, das im Januar 2004 eröffnet wurde und in dem sich unter anderem die Luxushotels der Ketten Ritz-Carlton und Marriot befinden. Den Vorplatz ließ er, in Erinnerung an seine verstorbene Frau, Inge-Beisheim-Platz nennen.

Bekannt ist Otto Beisheim auch durch seine finanzielle Unterstützung für zahlreiche Einrichtungen. So trägt die private Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz seinen Namen dank einer Überweisung von 50 Millionen Mark. An dieser Otto-Beisheim-Hochschule sind zudem nicht nur zwei Lehrstühle nach ihm benannt, im Jahr 2003 erhielt er auch den Titel des Ehrensenators.

Beisheim, der in der Schweiz lebt, pflegt den Nimbus des geheimnisvollen Geschäftsmanns. Wenig dringt aus der Geschäftssphäre nach außen. Verschwiegen gibt er sich auch in Hinblick auf eine Lücke in seiner Biografie zwischen den Jahren 1941 und 1949. Bei den Recherchen zu seinem 1994 erschienenen Buch »Außer Kontrolle – Die Medienmacht des Leo Kirch« stieß der Journalist Michael Radtke auf die Lazarett-Krankenakte eines SS-Scharführers Otto Beisheim aus dem Jahr 1943. Radtke schlussfolgerte daraus, dass Beisheim der »Leibstandarte Adolf Hitler« der Waffen-SS angehörte. Diesen Recherchen zufolge tauchte Beisheim erst im Oktober 1949 wieder auf, als die »Entnazifizierung« in Nordrhein-Westfalen beendet wurde.

Radtkes Darstellung fand Eingang in zahlreiche Veröffentlichungen zu Beisheims Person, ohne dass dieser sich in irgendeiner Form öffentlich dazu geäußerte hätte. Weder gab es eine Bestätigung noch ein Dementi.

Seit Beginn dieses Jahres protestieren Studierende gegen die Ehrenbekundungen für einen mutmaßlichen Angehörigen der SS durch die Technische Universität Dresden. Die ernannte bereits im Jahr 1993 Otto Beisheim zum Ehrendoktor. Seine Stiftung, die mit der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zusammenarbeitet, fördert darüber hinaus nicht nur die Karrieren begabter Studierender, sondern richtet an diesem Freitag auch zum siebten Mal ein Kolloquium aus. Die »Zukunft der Innenstadt« lautet diesmal das Thema. Seine umfangreiche finanzielle Unterstützung der Universität dürfte der Grund sein, weshalb die TU ihn ebenfalls seit 1993 mit der Benennung eines Saales ehrt.

Eine erste gemeinsame Anfrage der Antifaschistischen Hochschulgruppe und des Fachschaftsrats schien anfangs Erfolg zu versprechen: Das Schild wurde im Juli auf Anweisung des Dekans Wolfgang Uhr entfernt. Doch auch das folgende Schild hing nicht lange. Seit Mitte Oktober hängt die nunmehr vierte Variante: die Inschriften der vorigen Tafeln vereint zu dem Namen »Festsaal der Fakultät Wirtschaftswissenschaften – Otto-Beisheim-Saal«. Begleitet wird der Schildertausch von Diskussionen zwischen den studentischen Gruppen. Der Fachschaftsrat hat sich inzwischen aus der Auseinandersetzung zurückgezogen, nicht zuletzt, weil er sich nicht als politisches Gremium versteht. »Was auch immer Beisheim getan hat, er hat inzwischen wahnsinnig viel Gutes für die Fakultät getan«, heißt es aus dem Fachschaftsrat auf Nachfrage.

Die öffentliche Auseinandersetzung zur Person Beisheims, die von der Antifa-Hochschulgruppe gefordert wird, bleibt aus. Der Austausch der Schilder erfolgt jeweils ohne Kommentar. Ein offener Brief der Studierenden, der Ende September an den Rektor der Universität, Hermann Kokenge, gesandt wurde, ist bislang unbeantwortet. Zwar kündigte die Pressesprecherin Kim-Astrid Magister in der vergangenen Woche auf Nachfrage eine Reaktion auf das Schreiben an, gab aber gleichzeitig zu verstehen, dass »unbegründete Anschuldigungen und Vermutungen« nicht ausreichten, um die Universitätsleitung zum Handeln zu veranlassen. Die Hochschulgruppe will sich mit dem laxen Umgang an der TU nicht zufrieden geben. Sie fordert weiterhin, dass der Saal umbenannt und Beisheim der Ehrendoktortitel aberkannt wird.

Proteste gegen derart unkritische Ehrungen infolge des gesellschaftlichen oder finanziellen Engagements von Beisheim blieben in Deutschland bisher die Ausnahme, und nur einmal waren sie erfolgreich: Vor zehn Jahren konnten Studierende der Universität Mannheim verhindern, dass der Unternehmer Ehrensenator ihrer Universität wird.