»Das Terrain wird erforscht«

Interview mit stanislav holubec zum geplanten Verbot der Jugendorganisation der tschechischen KP

Das tschechische Innenministerium hat angekündigt, die Jugendorganisation Komsomol zum 31. Dezember zu verbieten. Stanislav Holubec ist Dozent für Geschichte und Soziologie an der Prager Karls­universität

Wie begründet das Innenministerium das Verbot der Jugendorganisation Komsomol?

In der tschechischen Verfassung steht, dass das Regime vor der Wende 1989 »verbrecherisch« gewesen sei und dass die kommunistische Ideologie verbrecherisch sei. Das Innenministerium hat unter Berufung auf diese Gesetzespassagen eine Revision des Statuts des Jugendverbandes angeordnet. Man kam zu dem Ergebnis, dass es darin einige Aussagen gibt, die mit der jetzigen tschechi­schen Verfassung nicht vereinbar sind. In dem Statut heißt es u.a., der Kommunistische Jugendverband kämpfe für einen revolutionären Sturz der kapitalistischen Ordnung durch die Massen der Arbeiterklasse, Ziel sei der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft weltweit.

Wie viele Mitglieder hat denn der Jugendverband, der ja sehr stalinistisch und autoritär organisiert ist?

Der Verband hat offiziell 300 Mitglieder, in Wirklichkeit handelt es sich meines Erachtens nur um 30 oder 40 aktive junge Menschen. Sie haben allerdings eine besondere Position inne, weil es sich um die Jugendorganisation der drittstärksten Partei im Parlament handelt. Im Vergleich zu anderen Jugendorganisationen, wie die der Anar­­chisten, der Trotzkisten oder die Anti-Globalisierungsbewegung, ist sie allerdings nicht besonders wichtig

Geht das Ministerium denn auch gegen die KP selber vor?

Die Kampagne gegen Komsomol richtet sich offensichtlich auch gegen die KP, weil in sechs Monaten Parlamentswahlen sind. Sofort einschneidende Maßnahmen gegen die Partei einzuleiten, erscheint dem Innen­ministerium möglicherweise zu gefährlich. Es sieht so aus, als ob mit der Verbotsdrohung gegen die Jugendorganisation das Terrain erforscht werden soll. Sozialdemokratische Politiker haben sich zum Verbot von Komsomol zwar noch nicht geäußert, aber generell lehnen sie Versuche, die KP zu verbieten, grundsätzlich ab.

Es gibt auch Bestrebungen, den Kommunismus mit dem Faschismus auf eine Stufe zu stellen. Der Senat hat ein solches Gesetz bereits abgesegnet.

Das Gesetz muss noch im Abgeordnetenhaus verhandelt werden, allerdings haben dort Kom­munisten und Sozialdemokraten die Mehr­heit. Die antikommunistische Kampagne begann bereits nach der letzten Wahl im Jahr 2002, als die Kommunisten so erfolgreich waren. Einige junge Designer starteten damals beispielsweise ein Projekt mit dem Namen »Dekommunisierung«.

Ist es nicht eine ganz normale Entwicklung, dass in Staaten, die unter Stalinismus und Realsozialismus gelitten haben, antikommunistische Kampagnen geführt werden? Die polnische Regierung hat die Wahlen u.a. mit antikommunistischen Parolen gewonnen.

Stimmt, aber es gibt wesentliche Unterschiede zwi­schen Polen und Tschechien. Bei uns hat nach der Wende eine sehr starke Partei überlebt, die in ihrem Namen das Wort Kommunismus trägt und die noch nie an der Regierung beteiligt war. Die momentane Kampagne richtet sich also gegen die stärkste kommunistische Partei in Osteuropa und die Sozialdemokratische Partei, die voraussichtlich die nächste Wahl gewinnen wird. Die Konservativen bezwecken mit der Drohung gegen Komsomol offensichtlich eine Einschüchterung von allem, was links von der Mitte ist.

Die Jugendorganisation denkt daran, bei einem Verbot »in den Untergrund zu gehen«.

Es gibt mehrere linke Jugendorganisationen, die nicht staatlich registriert sind. So würde der Jugendverband dann ebenfalls weiter bestehen. Etwas anderes ist damit nicht gemeint.

interview: kerstin eschrich