Talente erwünscht

Neues Zuwanderungsgesetz in Frankreich von bernhard schmid

In nächster Zukunft steht in Frankreich eine drastische Verschärfung der Gesetzgebung zur Einwanderung und zum Aufenthalt von Ausländern auf der Tagesordnung.

Einen ersten Auftrag zur Neufassung der Einwanderungsgesetze erteilte Innenminister Nicholas Sarkozy bereits Ende September. Doch das durch die Rechte geschürte ange­spannte politische Klima nach den Riots im November und der verbreitete Ruf nach autoritären »Lösungen« trugen erheblich zur Durchsetzbarkeit von Verschärfungen bei. Nicht zufällig hat Premierminister Dominique de Villepin die Neuauflage der Ausländergesetzgebung am 19. November, auf dem Höhepunkt der politischen Schockwelle infolge der Unruhen, verkündet. Der damals verhängte Ausnahmezustand gilt seit Mittwoch voriger Woche nicht mehr, aber nun drohen eben längerfristige Verschärfungen in verschiedenen Bereichen.

Im Ausländerrecht zählt zu den geplanten Neuerungen, das Recht auf ­Familiennachzug zu beschränken. So wird künftig, neben ausreichendem Wohnraum und Einkommen, auch eine vom Bürgermeister ausgestellte »Integrationsbestätigung« erforderlich. Die »republikanische Integration« wird ferner nunmehr auch für ausländische Ehegatten von französischen Staatsbürgern geprüft, bevor ihnen ein Recht auf Aufenthalt in Frankreich zugesprochen wird. Ein Entwurf aus dem Hau­se Sarkozy will die Integrationsprüfung sogar auf die französischen Ehepartner selbst anwenden.

Seit einem Gesetz von Sarkozys konserva­ti­vem Amtsvorgänger Jean-Louis Debré von 1997 bestand die Möglichkeit, dass ein Ein­wanderer, der nachweislich seit mindestens zehn Jahren ohne Unterbrechung in Frankreich lebt, seinen Aufenthaltsstatus »legalisieren« lassen kann. Diese Option will Sarkozy nunmehr völlig abschaffen. Ferner ist die faktische Abschaffung der so genannten Zehn-Jahre-Karte geplant. Dieser 1984 mit den Stimmen aller großen Parteien eingeführte Aufenthaltstitel, der bei Fehlen eines Verweigerungsgrunds verlängerbar ist, stellte de facto eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis dar, die Nicht-EU-Ausländer nach zehn Jahren regelmäßiger Wohndauer in Frankreich erhielten – bisher.

Im Gegenzug soll künftig eine privilegierte Kategorie von Ausländern geschaffen werden, deren Aufenthaltsrecht allerdings auf drei Jahre befristet und an das Bestehen ihres Arbeitsverhältnisses gekoppelt werden soll. Dazu sollen Personen mit besonderen »Fähig­keiten oder Talenten« gehören, die »geeignet sind, auf bedeutende und dauerhafte Weise zur Entwicklung der französischen Ökonomie, zur Ausstrahlung Frankreichs in der Welt« oder zur Entwicklung ihres Herkunftslandes beizutragen. Sie sollen – im Gegensatz zu allen anderen Einwanderern – etwa ein sofortiges Recht auf Familiennachzug wahrnehmen können.

Eine solche Förderung liegt völlig im Trend der EU-Politik selektiver Zuwanderung von Hochqualifizierten. Früher nannte man so etwas brain drain, also das Abziehen der fähigsten oder bestausgebildeten Führungskräfte aus ärmeren Ländern – es wurde angeprangert, solange dessen Ablehnung als Argument dafür herhalten konnte, das Asylrecht in Deutschland oder Frankreich (jeweils 1993) einzuschränken. Heutzutage, wo es nur ein Bruchteil der früheren Asylsuchenden überhaupt noch in »unsere« Länder schafft, wird dagegen ganz ungeniert um die »Besten« gebuhlt. Bei Nicolas Sarkozy läuft das unter einem Slogan, der jetzt explizit in dem Entwurf auftaucht: »Kampf der erlittenen Zuwanderung und Förderung der ausgewählten Zuwanderung«.