197 dubiose Christen und 88 Ü-Boote

In der Hamburger CDU wird wieder einmal heftig gestritten. Der Anlass ist eine ungewöhnliche Häufung von Eintritten in die Partei. von andreas blechschmidt

Fast 300 neue Mitglieder kann die Hamburger CDU seit Ende letzten Jahres verzeichnen. Doch was anderswo ein Anlass zur Freu­de wäre, ist für die dortigen Christdemokraten Grund für einen erbitterten Streit. Die Parteiführung wirft einigen Vorsitzenden von Ortsverbänden vor, ältere Mitglieder aus der Partei auszugrenzen, um ihre Machtbasis für die im Februar anstehenden Wahlen zum Landesvorstand auszubauen.

Vor allem aber geht es um 197 neu geworbene Mitglieder, in Hamburg lebende Aramäer, die der Finkenwerder Ortsvorsitzende Heiko Hecht in die Partei gelotst hat. In einem anderen Ortsverband sind 88 türkischstämmige Aleviten in die Partei ein­getreten. Weil auf diese kuriose Weise die Kritiker des amtierenden Landesvorsitzenden der Hamburger CDU, Dirk Fischer, gestärkt worden wären, entdeckte dieser die Feinheiten des Parteistatuts. Er ließ von seinem Stellvertreter Jürgen Klimke mitteilen, dass wegen der Verletzung des Wohnortprinzips die Eintritte ungültig seien. Dieses Statut der CDU sieht vor, dass Mitglieder im Bereich ihres Ortsverbands wohnen, zumindest aber arbeiten müssen. Das ist bei den wenigstens neuen Mitgliedern, die von Hecht angeworben wurden, der Fall.

Fischer selbst aber hat solch eine Praxis jahrelang bei Parteifreunden, die ihm wohl gesonnenen waren, gerne hingenommen. Ein Gutachten des Hamburger Verwaltungs­juristen Holger Schwemer, das von der Partei in Auftrag gegeben wurde, bestätigt, dass Hecht zu Recht von der »normativen Kraft des Gewohnheitsrechts« ausgehen durfte. Der Landesvorstand musste schließlich die neuen Mitglieder akzeptieren.

Fischers Führungsanspruch als Parteivorsitzender wird seitdem aber mehr und mehr in Frage gestellt. Der Hinweis des Vorsitzen­den der Hamburger Jungen Union, André Trepoll, die Angriffe auf Fischer seien »eine Phantomdiskussion, zumal kein Gegenkandidat in Sicht ist«, klingt fast wie eine Drohung des Parteinachwuchses an die alte Garde der Hamburger CDU.

Mit großer Hingabe schlittert die Hamburger CDU in jüngster Zeit von einer parteiinternen Querele in die nächste. Der gegenwärtigen Af­fä­re ging im Jahr 2005 eine ganze Reihe von Skandalen voraus. Im März erhielt die Geschäfts­führerin einer Bezirksfrak­tion, Natalie Hochheim, Hausverbot in ihrem Ortsverband und trotz bestehenden Mutterschutzes eine fristlose Kündigung. Sie hatte sich mit einem engen Weggefährten von Fischer angelegt.

Kurz darauf erhielt der Bürgerschaftsabgeord­nete Clemens Nieting Besuch von der Staatsanwaltschaft. Ihm wurde der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie nachgewiesen. Nur auf Druck der Fraktionsführung trat er von seinen Ämtern zurück. Das ehemalige Mitglied des Jugendausschusses wurde schließlich zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.

Im Sommer 2005 beschuldigte dann der für die CDU in die Bürgerschaft entsandte Polizist Bruno Claußen seinen Fraktionskollegen Karl-Heinz Warn­holz, ihm eine Beförderung in Aussicht gestellt zu haben, wenn er einer Kürzung des Etats der Polizei zustimme. Beide zeigten sich gegenseitig wegen Bestechung eines Abgeordneten bzw. wegen falscher Verdächtigungen an. Nicht zuletzt musste der Abgeordnete Volker Okun im Herbst sein Mandat aufgeben, weil er wahrheitswidrig einen Wohnsitz in Hamburg, der eine Voraussetzung für seine Wahl in die Bürgerschaft gewesen wäre, angegeben hatte.

Seit zwei Jahren regiert Ole von Beust (CDU) mit der absoluten Mehrheit der CDU-Fraktion die Stadt. Das größte Hindernis für seine Wiederwahl im Jahr 2008 scheint derzeit seine eigene Partei zu sein.