Nation contra Nation

Die spanische Regierung hat mit den katalanischen Parteien eine Einigung über das Autonomiestatut erzielt. Den Rechten geht das zu weit, den Linken nicht weit genug. von thorsten mense

Auf illegale und verfassungswidrige Weise wird bestimmt, dass Spanien nicht die ein­zige Nation sei«, schimpfte Ángel Acebes, Generalsekretär der konservativen Volkspartei, Anfang vergangener Woche. Nach fast viermonatiger öffentlicher Diskussion war es zu einer Einigung zwischen Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero und Artur Mas, Chef der konservativen katalanischen Nationalisten CiU, über die veränder­te Version des katalonischen Autonomiestatuts gekommen. Damit gilt die Annahme des Papiers im spanischen Parlament als sicher.

Die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) wird als einzige Partei des katalanischen Parlaments das modifizierte Statut ablehnen. »In den wesentlichen Aspekten hat es überhaupt nichts mit der Originalversion zu tun«, erklärte Generalsekretär Joan Puig­cercós vergangenen Donnerstag. Dies wird der ERC Ärger in der katalanischen Regierungskoalition einbringen, jedoch kann sie nur so verhindern, ihre Anhängerschaft zu verlieren. Einer der zentralen Streitpunkte ist die Frage der Nation. In der Originalfassung stand im Artikel 1 der für die katalanischen Nationalisten ent­scheidende Satz: »Katalonien ist eine Na­tion.« Sie war im September vergangenen Jahres vom katalanischen Regionalparlament mit 120 zu 15 Stimmen angenommen worden. Dies rief in der Rechten Spaniens heftige Reaktionen hervor. Es gab Aufrufe, katalanischen Sekt zu boykottieren, und alle paar Wochen demonstrierten Rechtskonservative gemeinsam mit Neonazis für die »Einheit Spaniens«. Der Oberbefehlshaber der spanischen Streitkräfte, José Mena Aguado, steht unter Hausarrest, weil er mit dem Einsatz seiner Truppen gedroht hatte, um die »Einheit und verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen«.

In der neuen Version der Landesverfassung heißt es nun nur noch: »Das katalanische Parlament hat Katalonien als Nation definiert« Als sich abzeichnete, dass Zapatero mit dem neuen Entwurf eine Mehrheit im spanischen Parlament erhalten würde, schlug der Oppositionsführer Mariano Rajoy vor, das nur für Katalonien vorgesehene Referendum in ganz Spanien abzuhalten. Dies wäre seine letzte Chance, eine Ablehnung zu erreichen. Umfragen zufolge stehen über 60 Prozent der Katalanen hinter dem Autonomiestatut, auch wenn viele die abgeschwächte Definition von »Nation« stört. Das Statut gibt der katalanischen Regional­regierung zusätzliche Befugnisse und spricht ihr eine höhere Beteiligung an Steuereinnahmen zu. Die Steuerfrage war ein weiterer Streitpunkt in der Diskussion und ist ein Grund dafür, dass die ERC das Statut ablehnt.

Jedoch ist dies mehr ein politisches als ein wirtschaftliches Thema. Nicht ohne Grund sind die wirtschaftlich stärksten Regionen auch die mit den stärksten Unabhängigkeitsbestrebungen. Die ERC wirbt mit dem Spruch: »Wer bezahlt, soll auch entscheiden!«, was ihrem sozialistischen Selbstverständnis offenbar nicht widerspricht. In dem Statut ist sonst viel die Rede von historisch gewachsener »nationaler Identität«, dem »katalanischen Volk« und der Verteidigung der katalanischen Sprache.

Die außerparlamentarische Linke hält wenig von der Reform. Jedoch nicht, weil sie mit dem Gerede von der Nation nichts anfangen könnte, im Gegenteil. »Weder Statuten noch Reformen! Unabhängigkeit und Sozialismus!« lautet die Forderung der linken Gegner. Für Mitte Februar ruft ein Bündnis von über 150 linken Gruppen zu einer Demonstration in Barcelona auf. Das Motto lautet: »Wir sind eine Nation! Selbstbestimmung!« Die Erklärung, worin der emanzipatorische Gehalt liegen soll, wenn man dem spanischen Nationalismus seinen regionalen Nationalismus entgegensetzt, bleibt die Lin­ke dabei schuldig.