Oh Silva, hilf!

Neuer Präsident in Portugal von anton landgraf

Anibal Cavaco Silva ist ein ernster Mann und gilt doch als Schöpfer wundersamer Dinge. Für viele Portugiesen ist der neue Präsident des Landes daher genau der richtige Kandidat, um ein kleines Wunder zu vollbringen. Denn ihm soll nun gelingen, woran gleich mehrere Regierungen in den letzten vier Jahren gescheitert sind: die Sanierung der desolaten Wirtschaft.

Tatsächlich haben das Haushaltsdefizit und die Inflation Spitzenwerte erreicht, während das Wirtschaftswachstum vor sich hin dümpelt und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellt. Die Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten José Sócrates wusste sich angesichts der Misere nicht mehr zu helfen und erhöhte im vergangenen Jahr alle Abgaben, die nur möglich waren: die Mehrwert-, Tabak-, Einkommens- und Mineralölsteuer. »Wir sind die Schlechtesten unter den 25 EU-Staaten«, klagte jüngst die angesehene Wochenzeitung Expresso aus Lissabon.

Genützt hat es bislang nichts, und deshalb sind nun viele Hoffnungen auf Silva gerichtet. Schließlich erlebte das Land unter seiner Regierung in den neunziger Jahren schon einmal einen erstaunlichen Aufstieg. Wenige Jahre nach dem EU-Beitritt stiegen damals alle In­dikatoren. Mit Hilfe großzügiger Subventionen aus Brüssel entstand ein umfangreiches Autobahnnetz, eine liberale Wirtschaftspolitik lock­te zahlreiche Investoren an. Der Lebensstandard wuchs, und in der Folge konsumierten die Portugiesen wie nie zuvor: In kaum einem anderen europäischen Land wurden damals im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so viele Neuwagen, Kreditkarten oder Mobiltelefone angeschafft

Ein neuerlicher Aufschwung sei vor allem eine Frage der Motivation, meint nun der sonore Wirtschaftsprofessor, der von sich sagt, dass er »nie falsch liegt und selten Zweifel« hat. So will Silva, dessen Ausstrahlung an den ehemaligen deutschen Finanzminister Hans Eichel erinnert, den Unternehmern wieder »Anregungen geben«, wie sie sich aus eigener Initiative aus der Krise befreien können. Leistung müsse sich wieder lohnen, und eine neue Haltung der Portugiesen sei not­wen­dig, um endlich wettbewerbsfähig zu wer­den. Sich selbst empfiehlt er dabei als »glaub­wür­diges Beispiel für Ehrlichkeit, Stren­ge und Ehrgeiz«.

Dass er sein ehrgeiziges Ziel erreichen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Schließlich liegen Portugals Probleme weniger in mangelnder Opferbereitschaft, sondern in einem kurzlebigen Wirtschaftsmodell begründet, das vor allem auf billigen und wenig qualifizierten Arbeitskräften basierte. In den neunziger Jahren galt das Land deshalb zwar im europäischen Vergleich als konkurrenzlos günstig, was mit zu dem Boom beitrug. Heute ist der portugiesische Durchschnittsverdienst mit rund 800 Euro im westeuropäischen Vergleich zwar immer noch extrem niedrig, liegt aber deutlich über den osteuropäischen Löhnen. Und in dem Maße, wie sich Europa nach Osten erweitert, fließen auch die Gelder des EU-Struktur- und Kohäsionsfonds, ein weiterer wichtiger Faktor für den damaligen Aufschwung, nicht mehr in den Alentejo, sondern nach Katowice oder Riga.

Silva muss daher schon mehr als ein kleines Wunder vollbringen. Der Philosoph José Gil fühlte sich jedenfalls in seinem Wahlkampf auch an ein »religiöses Phänomen« erinnert. »Cavaco Silva wurden Wunderkräfte zugeschrie­ben, die er nicht besitzt«, schrieb er kürzlich in dem Nachrichtenmagazin Visão. »Und die Bevölkerung in der Provinz folgte ihm mit derselben Geisteshaltung, mit der sie bei einer Dürre Prozessionen oder Gebete für Regen organisiert.«