Canyons in einem flachen Land

Die dänische Regierung versucht, moderate Muslime einzubinden, und hofft auf ein Ende der Auseinandersetzung um die Karikaturen. von bernd parusel, stockholm

Flemming Rose hat auf unbestimmte Zeit Urlaub. Der Kulturredakteur der Zeitung Jyllands-Posten ist seinem Chef im Streit um die Mohammed-Karikaturen zu weit gegangen. Mehrmals hat er erklärt, bei den Zeichnungen sei es nicht darum gegangen, Muslime zu beleidigen. Damit dies endlich alle einsehen, kündigte er vergangene Woche an, auch Jesus-Karikaturen zu drucken und mit einer iranischen Zeitung zu ko­operieren, die Comics über Juden und den Holocaust veröffentlichen will. Chefredakteur Carsten Juste verhinderte das Vorhaben. Weder über Jesus noch über Juden werde seine Zeitung spotten, sagte er, und Kollege Rose habe nun so lange frei, bis es ihm wieder besser gehe.

Die Aufregung um die Karikaturen ist nicht vorbei, aber in Dänemark versucht man, langsam zum Alltag zurückzukehren. Jyllands-Posten will nicht mit neuen Zeichnungen auftrumpfen, und Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen bedankte sich am Mittwoch voriger Woche bei denjenigen Muslimen in Dänemark, die »zu Besinnung gemahnt« und »ein gerechtes Bild Dänemarks vermittelt« hätten. Es gelte nun, mit »gegen­seitigem Respekt« in die Zukunft zu blicken.

Der Premierminister weiß dabei die Mehr­heit der Dänen hinter sich. Umfragen zufolge befürworten rund 60 Prozent sein Vorgehen im Karikaturenstreit. Mitunter weisen dänische Kommentatoren oder Sozialwissen­schaftler zwar darauf hin, dass die Regierung und konservative Medien in den letzten Jahren ein Klima der Intoleranz gefördert hätten, das vielen Muslimen das Gefühl gegeben habe, Bürger zweiter Klasse zu sein. Dies habe die Karikaturen in Jyllands-Posten überhaupt erst so brisant gemacht, lautet ihr Vorwurf. Solche Sichtweisen scheinen jedoch allenfalls eine Minderheit zu interessieren, und fast vergessen sind die Aufrufe dänischer Schriftsteller, die, noch bevor der Karikaturenstreit voll entbrannte, die »offene Diskriminierung von ethnischen Minderheiten in Dänemark« verurteilt hatten. Die mehrmals verschärfte Asyl- und Einwanderungs­politik und der Assimilierungsdruck auf Minderheiten erscheinen nun offensichtlich einer Mehrheit als probate Strategien gegen militante Moslems.

Das Angebot des Premierministers zum Dialog richtet sich an »moderate Muslime«, etwa diejenigen, die sich dem säkularen Netzwerk des Abgeordneten Naser Khader angeschlossen haben. Dessen neuer Verein wird Umfragen zufolge von 85 Prozent der Dänen gut geheißen, während sich kaum mehr als zwei Prozent hinter Abu Laban stellen, den Vorsitzenden der traditionelleren »Islamischen Glaubensgemeinschaft«. Dieser hat den Boykott dänischer Waren in Saudi-Arabien unterstützt und eine Delegation in den Nahen Osten geschickt, die dort – auch mit Hilfe von Zeichnungen, die nicht in Jyllands-Posten abgedruckt worden waren – über die aus seiner Sicht schlechte Behandlung von Muslimen in Dänemark »aufklärte«. Auch wenn Laban und seine Mitstreiter nun nicht wegen »Landesverrats« verurteilt und abgeschoben werden, wie es die Dänische Volkspartei sowie die Regierungsparteien Vens­tre und Konservative Volkspartei fordern, sind sie jetzt noch stärker isoliert als vor dem Karikaturen-Streit. Das Problem ist nur, dass Labans Glaubensgemeinschaft einer der größten muslimischen Vereine in Dänemark ist.

Chefredakteur Juste sagte kürzlich in einem Interview mit der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter, die Karikaturen-Affäre zeige, dass Integra­tion »vielleicht ein unmögliches Projekt« sei, und »dass es eine Kluft zwischen dem westlichen Menschen und der muslimischen Welt« gebe, die größer sei »als der Grand Canyon«. Man könnte einwenden, dass Jyllands-Posten diese Kluft nicht eben verkleinert hat. Jedenfalls scheint es sie zu geben, sie verläuft zwischen Dänen und Einwanderern, und auch zwischen unterschiedlichen Fraktionen unter den dänischen Muslimen.