Den König einkreisen

Das Bündnis der maoistischen Aufständischen mit den bürgerlichen Parteien isoliert Nepals autokratischen Monarchen. von torsten otto

Die Führungen der kommunistischen Bewegungen haben im vergangenen Jahrhundert zunehmend mechanisch agiert. Unsere Volksdemokratie soll demokratischer sein. Wir werden uns dem politischen Wettbewerb stellen.« Nepals Maoisten, die mit ihrem Kult um den Vorsitzenden Prachanda und der Abstrafung innerparteilicher Kritik bisher in bester Tradition orthodoxer Kommunisten standen, schlagen ungewohnte Töne an.

Die KP Nepals (Maoistisch) hat nach zehn Jahren »Volkskrieg« eine politische Öffnung eingeleitet. Der Parteivorsitzende Prachanda, bis vor kurzem nur von Phantomzeichnungen bekannt, gibt seit einigen Monaten Interviews, eingeladene Journalisten bürgerlicher Medien berichten von lebhaften Diskussionen auf den Großveranstaltungen in den maoistischen Kerngebieten.

In der Guerillaorganisation scheint nun tatsächlich eine neue Form des Umgangs miteinander Einzug zu halten. »Unser Bekenntnis zur Mehrparteien-Demokratie ist keine Taktik, sondern das Ergebnis von drei Jahren interner Diskussion (…) Der sozio­ökonomische Wandel, für den wir kämpfen, richtet sich gegen Feudalismus und Imperialismus. Unser Ziel ist eine Mehrparteien-Demokratie mit einer Verfassung, die diesen Wandel unterstützt.« Das ist zwar kein Abschied vom Avantgarde-Konzept, aber für eine der wichtigsten Parteien in der maoistischen Internationale RIM ein beachtlicher Schritt.

Dabei ist die militärische Lage besser als je zuvor. Mit nahezu täglichen Angriffen auf Armeeeinrichtungen in Nepalgunj, dem Hauptquartier der Streitkräfte für den Westen des Landes, haben die Maoisten im Januar gezeigt, dass sie außerhalb der ländlichen Kerngebiete eine der größten Städte des Landes für Wochen belagern können. Immer öfter werden die Kasernen und Verwaltungseinrichtungen der Distriktzentren von Einheiten in Bataillonsstärke angegriffen. Selbst Kontrollpunkte in den Außenbezirken der von 50 000 Soldaten bewachten Hauptstadt Kath­mandu wurden attackiert, geplündert und anschließend gesprengt.

Auch politisch hat sich das Kräfteverhältnis zwischen den Konfliktparteien verschoben. Vier Monate lang, bis Anfang Januar, hielten die Maoisten einen einseitigen Waffenstillstand ein, trotz militärischer Offensiven der königlichen Truppen selbst im Kerngebiet um den Distrikt Rolpa. Das hat ihnen Sympathien in den Städten eingebracht und eine Annäherung an die bürgerlichen Parteien ermöglicht. Das Ergebnis ist ein 13-Punkte-Plan, der den bewaffneten und den zivilen Widerstand gegen die Monarchie koordinieren soll.

Von einer gemeinsamen Front kann freilich noch keine Rede sein. Zu tief ist das gegenseitige Misstrauen. Schließlich haben die parlamentarischen Parteien vor ihrer Entmachtung den Aufstand erst jahrelang nicht zur Kenntnis genommen, dann als Terrorismus denunziert und die Armee eingesetzt. Maoistische Kader haben die »Ausmerzung von Klassenfeinden« der bürgerlichen Parteien exekutiert. Davon war insbesondere die Kongresspartei betroffen, die als Verbund örtlicher Honoratioren auch jene Großgrundbesitzer, Geldverleiher und Beamte vertritt, gegen die sich der Aufstand richtete.

König Gyanendra und die Armeeführung stehen nun einer zumindest rhetorisch geeinten Opposition aus nahezu allen politischen Kräften des Landes gegenüber. Doch Gyanendra lehnt jegliche Verhandlungen ab. Dabei haben die strikte Zensur, die Notverordnungen und der Einsatz des Militärs gegen Demonstranten maßgeblich zur Radikalisierung der bürgerlichen Parteien beigetragen. Noch vor einem Jahr, als Gyanendra die Regierung auflöste und den Notstand ausrief, herrschte unter den Parteiführern Konsens über eine konstitutionelle Monarchie. Mittlerweile hat selbst die Kongresspartei das Bekenntnis zur Monarchie aus ihrem Parteistatut gestrichen.

Der König, der seinen Putsch mit dem Versagen der parlamentarischen Regierungen im »Anti-Terror-Kampf« begründet hatte, sah sich unter internationalem Druck zur Abhaltung von Kommunalwahlen gezwungen, allgemeine Wahlen sollen später folgen. Doch mit einer Stabilisierung der königlichen Macht ist nicht zu rechen. Der Boykott der bürgerlichen Parteien und der Aufständischen war erfolgreich. Die Wahlbeteiligung lag offiziell bei 20 Prozent, in den größeren Städten und im Westen des Landes sogar deutlich darunter, obwohl für Beamte und Sicherheitskräfte Wahlpflicht bestand.

Lokale Beobachter berichten von teils haarsträubenden Manipulationen. Viel Auswahl gab es ohnehin nicht, denn für die meisten der 4 160 Bürgermeister- und Stadtratsmandate fand sich nach Drohungen und Attentaten kein oder nur ein Bewerber, so dass am Dienstg der vergangenen Woche nicht mehr als 618 Posten vergeben wurden. In der Hälfte der Distrikte fanden die Wahlen gar nicht erst statt.

Der internationale Druck auf den König dürfte sich nun verstärken. Gyanendra soll die Eliten durch eine Beteiligung an der Macht wieder integrieren. Bleibt der Monarch bei seiner kompromisslosen Haltung, stehen die Chancen gut dafür, dass in einigen Monaten die Allianz fest genug ist, um das von Prachanda skizzierte Szenario wahr werden zu lassen. Die bürgerliche Opposition könnte dann das Parlament, in dem sie mehr als zwei Drittel der Abgeordneten stellte, erneut einberufen und das Ausland zu seiner Anerkennung auffordern. Eine Übergangsregierung, in der die Maoisten als Juniorpartner mitarbeiten, soll dann Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten. Bis zu den Wahlen hätte der König die Chance, den Machtwechsel anzuerkennen, womit er sich einen Status als zeremonieller Monarch erhalten könnte.

Die Maoisten haben erkannt, dass weder das wirtschaftlich und politisch in Nepal dominante Indien noch die USA eine Machtübernahme der Aufständischen dulden würden. Auch die EU und China sind vor allem an Stabilität interessiert. Da der König weder erfolgreich den Aufstand bekämpft noch konkurrierende Eliten integriert, fordern die ausländischen Regierungen seit einigen Monaten vehementer die Wiederherstellung der Demokratie. Sie wären zur Entscheidung gezwungen, wenn die bürgerliche Opposition das Ausland zur Anerkennung ihres Parlaments auffordert und die Maoisten dabei im Hintergrund bleiben, gleichzeitig aber konkrete Schritte zur Entwaffnung anbieten und sich glaubhaft zu einem Mehrparteiensystem bekennen.

Gyanendra dagegen hat kein Interesse an einem Ende des Konflikts, der mittlerweile 13 000 Menschen das Leben gekostet hat. Seine Politik stützt sich auf die Erfahrung, dass selbst der autoritärste Herrscher international akzeptiert wird, wenn er sich auf den Anti-Terror-Krieg beruft und die Bedrohung drastisch genug darstellt.