Oh no, nicht der schon wieder!

Was demnächst nervt: Adam Green kommt mit einer neuen Platte. francis klein will sie gar nicht erst hören.

Aufmerksamen Menschen dürfte es nicht entgangen sein, dieses leise Rattern, das vom baldigen Dröhnen einer großen Maschinerie kündet. Warm laufen muss sie zwar noch, aber in Gang gesetzt ist sie. Es gibt kein Zurück. Die Mechaniker werden noch am einen oder anderen Rädchen schrauben, Feinheiten justieren. Aber der Apparat setzt sich erneut in Bewegung, unaufhaltsam.

Bis zum 10. März muss er auf Hochtouren laufen. Dann werden aus dem gigantischen Lautsprecher, an den die Maschine angeschlossen ist, viele, viele Stimmen erschallen, die in unerträglicher Lautstärke nur eines verkünden werden: »Die neue Platte von Adam Green ist da! ›Jacket full of danger‹ heißt sie! Sie ist so toll! Sie wird unser Leben in gar nicht einzuschätzendem Maße bereichern, mit ihrem Witz, ihrer Finesse, mit ihrer Tiefe und Wahrheit!«

Dann wird es mich wieder von Magazinen und Werbetafeln anschauen, dieses Gesicht mit den Schmolllippen, dem melancholischen, unschuldigen Blick und den wuscheligen Haaren drumherum. Hübsch ist er schon, der Adam Green. Die Verzückung beim Anblick des schmucken Burschen kann man wirklich niemandem verdenken. Doch man sieht ihn eben nicht zum ersten Mal. Und spätestens, wenn man ihn zum fünften oder sechsten Mal gesehen hat, fragt man sich: Trainiert er seinen Gesichtsausdruck vor dem Spiegel? Während andere Stars vor den Kameras unausweichlich zur Lachfratze erstarren, posiert Green stets als der Künstler und Sonderling, je nach Erfordernis mit melancholischer oder verschmitzter Schlagseite.

Die zahlreichen Bewunderer ficht das nicht an. Für sie ist Adam Green authentisch, wahrhaftig, schlicht »ein Original«. Und weil er angeblich vom echten Leben singt, wollen alle noch die nebensächlichsten Dinge aus eben diesem Leben wissen. So werden auch aus Anlass der neuen Veröffentlichung wieder unzählige Journalisten zu ihrem Star pilgern. Zu distanzlosen Duzkumpels verkümmert, werden sie ihn fragen, ob er sich seine Haare selbst schneidet, welche Drogen er gerne nimmt und was für Menschen Mama und Papa Green so sind.

Und selbstverständlich werden sie auch wieder die größte Belanglosigkeit von allen hervorzerren. Sie werden fragen: »Adam, kannst du uns noch mal etwas von deiner Urgroßmutter erzählen?« Da sich die Tatsache, dass Greens Urgroßmutter Felice Bauer die Verlobte Franz Kafkas war, wirklich nicht im geringsten in seinem musikalischen Schaffen niederschlägt, könnte er lapidar antworten: »Nein.« Doch er gibt stets bereitwillig Auskunft und baut mit am eigenen Hype.

Mit der neuen Platte wird auch wieder die Zeit der großen Adam-Green-Exegese anbrechen. Die vorab veröffentlichten Song­titel werden bei euphorisch Benebelten zu Lauten der Verzückung führen, hätten sie doch allesamt vom Stil her auch auf die anderen Alben gepasst. So dürfte der Musiker aus New York erneut als großer Sprachkünstler und Poet abgefeiert werden.

Die sonor vorgetragene und mit Worten wie »Cock«, »Vagina« oder »Fuck« durchzogene Lyrik ist natürlich wieder mit der sehr gefälligen Mischung aus Folk, Pop, Country und Musicalelementen unterlegt. Es ist also alles wie auf den vorangegangenen Alben, gut gemacht und schön anzuhören. Aber weltbewegend ist es nicht.

Der Rest der Welt hat das erkannt. Ein Star ist Adam Green nur in Deutschland. Hier hat man ihm eine Nische geschaffen, und er hat es sich in ihr sehr gemütlich gemacht. Kein Wunder, wer lässt sich schon ungern den Bauch pinseln. »Der neue Bob Dylan«, das klingt bestimmt angenehm für einen 24jährigen Wandergitarristen. Doch »Rebell« können Adam Green nur Leute nennen, für die es bereits ein revolutionärer Akt ist, sich an der Haustür die Schuhe nicht abzustreifen.

Der Radau, der die Veröffentlichung von »Jacket full of danger« begleiten wird, ist abzusehen. Wie schon gesagt: Die Maschinerie läuft bereits. Aber wer weiß? Vielleicht läuft sie heiß und geht kaputt.

Adam Green: Jacket full of danger.

Erscheint demnächst bei Rough Trade