Freundesfreunde und Helfershelfer

Im Jahr der Fußballweltmeisterschaft boomen die privaten Sicherheitsdienste. Sie nehmen der Polizei Aufgaben ab und erledigen, was sie nicht darf. von ron steinke

Wenn Rolf Stober gegen den Einsatz der Bundeswehr bei der Fuß­ballweltmeisterschaft plädiert, klingt das nicht gerade wie bei einem Bürgerrechtler. Der Juraprofessor erwähnt kurz das Grundgesetz und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: »Die privaten Sicherheitsdienste können das viel besser.« Er erntet Applaus in dem Saal voller akkurat gekleideter Herren mit breiten Schultern und Schnurrbärten. Es handelt sich vor allem um Mitarbeiter von Security-Firmen aus ganz Deutschland, die an diesem 14. Februar zu einer Tagung an der Hamburger Universität gekommen sind, um über das sicherheitspolitische Ereignis des Jahres zu sprechen. Und natürlich, um sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen.

Die Pläne Wolfgang Schäubles haben ein wenig für Beunruhigung gesorgt, könnten sie doch dem Geschäft schaden. Ansonsten aber verspricht sich die aufblühende Branche Großes von der WM. Das Ereignis soll die in vielen Städten bereits praktizierte Beteiligung von Sicherheitsdiensten an den Aufgaben der Polizei, die so genannte Police Private Partnership, entscheidend voranbringen.

Gastgeberin der Tagung ist die »Forschungsstelle Sicherheitsgewerbe« (Forsi), ein Think Tank, der sich ausschließlich aus Mitteln der Branche finanziert und an der Hamburger Uni­versität angesiedelt ist. Die Forsi erobert mit wissenschaftlichen Publikationen etwa zur »Zu­lässigkeit privater Strafvollzugsanstalten« oder zur »Verkehrsüberwachung durch Private« viel­fach juristisches Neuland. Denn obwohl die private Sicherheitswirtschaft in Deutschland inzwischen rund 180 000 Mitarbeiter beschäftigt und mit ihren vielfältigen Dienstleistungen – vom Streifgang im Einkaufszentrum bis zur Sicherung von Fußballstadien – jährlich vier Milliarden Euro umsetzt, bewegt sie sich noch immer in der Grauzone zwischen öffentlichem und privatem Sektor.

Während der vierwöchigen Weltmeisterschaft sollen bis zu 20 000 private Sicherheitsleute an den Austragungsorten eingesetzt werden. Auf der Tagung in Hamburg zeigen beide Seiten Vorfreude auf die groß angelegte Zusammenarbeit. Der Vizepräsident des Bundeskriminalamts, Jürgen Stock, hält vor den Security-Männern eine Rede über »Ko­ope­ra­tion«, ein paar Polizeibeamte mit hohen Rangabzeichen sitzen im Publikum.

So viel Nähe wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Inzwischen jedoch haben die Po­li­zei­stra­te­gen die Vorteile der Zusammenarbeit entdeckt. Indem die Polizei Aufgaben an private Unternehmer delegiert, kann sie Bürgerrechte umgehen. Was die Polizei darf oder nicht darf, ist genau festgelegt, für Security-Firmen gilt das nicht.

Ein Beispiel für die Möglichkeiten, die sich aus dieser Tatsache ergeben, ist die vorsorgliche Überprüfung von Besuchern der WM. Das Bundesinnen­ministerium regte bereits im Jahr 2003 beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) an, »personalisierte« Tickets auszugeben, die dem Veranstalter per Funkchip Auskunft über die Identität des Trägers geben. Kürzlich ließ das Innenministerium dem DFB über das halb staatliche WM-Organisationskomitee eine aktuelle Liste von Personen zukommen, welche die Polizei und die Geheimdienste als gefährlich bezeichnen. Wenn der private Veranstalter der WM seine gesammelten Kundendaten mit der Liste abgleicht, muss die Polizei nicht ihrerseits auf die persönlichen Daten von Unverdächtigen zugreifen, was ihr aus Grün­den des Datenschutzes untersagt ist.

Die Maßnahme betrifft alle 3,2 Millionen Ticketbesitzer. »Würde die Polizei eine solche Massenrasterung allei­ne durchführen, wäre sie schlicht rechts­­widrig«, sagt der Berliner Juraprofessor und Bürgerrechtler Martin Kutscha. »Die entstehende Gemengelage aus Staat und Privat ist damit hoch problematisch.«

In Hamburg spricht man es an diesem Tag ganz offen aus: Die Fußballweltmeisterschaft sei keineswegs eine »öffentliche« Veranstaltung. »Geschlossene Gesellschaft« treffe es besser. Das Spektakel wird in umzäunten Gebieten stattfinden, in denen private Sicherheitsdienste das Sagen haben. Die Tore werden sich nur für erwartete und identifizierte Gäste öffnen.

Für die Polizei bringt die »Police Private Partnership« bei der WM neben der Umgehung von Datenschutzvorschriften einen weiteren Vorteil. Wenn, wie geplant, der Staat das Hausrecht innerhalb der Sicherheitszone dem privaten Veranstalter überträgt, kann der viel restriktivere Verhaltens­regeln festlegen, als der Staat es dürfte. Schon abweichendes Verhalten, das kein Ge­setz verletzt, wie etwa »Herumlungern«, könnte somit im Umfeld der Stadien geahndet werden. Wie sich das Fußballpublikum zu verhalten hat, würde dann der Veranstal­ter bestimmen – seinem ökonomischen Interesse entsprechend. Wer das Geldverdienen stört, wird entfernt.

Wenn Security-Firmen im scheinbar öffentlichen Raum ihre Regeln durchsetzen und dabei von der Polizei unterstützt werden, erreicht die Polizei das, was sie in vielen Städten bisher mit dem Hinweis auf das »subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung« versucht hat, nämlich für »Sauberkeit« und »Sicherheit« gleichermaßen zu sorgen.

»Die Eingriffsbefugnisse der privaten Sicherheitsdienste sind nicht klar geregelt«, be­mängelt der Bürgerrechtler Kutscha. »Die Sicherheitsleute sind schlechter bezahlt und vor allem viel schlechter ausgebildet als die Polizei. Gleichzeitig sind sie zu weniger Transparenz angehalten als die Polizei und dadurch gerichtlich schlechter kontrollierbar.«

Bei der Forsi tritt der konservative Kri­minalitätsforscher Hans-Dieter Schwind auf die Bühne, der unter dem Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) niedersächsischer Justizminister war. Er hält eine Rede zum Thema: »Schafft Kriminalitätsfurcht neue Arbeitsplätze für Sicherheitsdienste?« Seine Antwort lautet: Ja, sicher! »Die goldenen Jahre der Sicher­heit sind vorbei. Die goldenen Jahre der Sicherheits­dienste haben jedoch gerade erst begonnen.« Viele im Publikum scheinen sich zu fragen, ob es nach dieser Aussage angebracht ist, eine besorgte Miene aufzusetzen oder zu lächeln. »Krimi­nalitätsfurcht fördert den Umsatz. Anstößig ist das nicht«, sagt Schwind. Da­raus schließt er, dass das Ziel des priva­ten Sicherheitsgewerbes letztlich ein anderes sei als das der Polizei. Die Privaten müssten an der wachsenden Furcht der Bevölkerung interessiert sein, der Staat aber daran, dass sie sich sicher fühle.

Die Dienstherren der Polizei kann Schwind damit nicht meinen. Denn die Schäubles, Becksteins und Schönbohms benutzen das diffuse »Bedrohungspotenzial« einer Großveranstaltung vom Ausmaß der WM dafür, ihren seit Jahren wiederholten Forderungen nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren Nachdruck zu verleihen. Am Ende der Tagung in Hamburg klatschen Sicherheitsbedienstete und Polizisten artig. Solange der Innenminister nicht die Bundeswehr einsetzt und den Sicherheitsdiensten die Arbeit wegnimmt, ist die Harmonie nicht gefährdet. Und danach sieht es ja nach dem neuesten Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus.