Watergate auf Griechisch

In Griechenland haben Unbekannte linke Aktivisten ebenso abgehört wie den konservativen Ministerpräsidenten. Die Empörung darüber äußert sich nationalistisch. von harry ladis, thessaloniki

Auch in Zeiten des großen Lauschangriffs sorgt die Enthüllung, dass Handys abgehört wurden, für Empörung. Allerdings nur, weil die Abhöraktion nicht unter staatlicher Kontrolle stattfand. Anfang Februar schockierte Regierungssprecher Thodoros Roussopoulos die Öffentlichkeit mit der Mitteilung, die Handys von rund 100 Vodafone-Kunden seien von Juni 2004 bis März 2005 abgehört worden – neben Regierungschef Konstantinos Karamanlis und fast der gesamten Ministerriege auch außerparlamentarische Linke, Journalisten und politisch tätige Ausländer. Eine interessante Mischung, anhand deren sich in viele Richtungen spekulieren lässt.

Wer die Abhöraktion inszenierte, ist noch nicht bekannt. Tatsache ist sowohl, dass die Aktion kurz vor den olympischen Spielen in Gang gesetzt wurde, was eventuell mit den umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen damals zusammenhängen könnte, als auch, dass Vodafone-Griechenland die entsprechende Software löschte, bevor die Firma die Regierung davon in Kenntnis setzte, dass Personen abgehört wurden. Aufgeflogen war das Ganze bereits vor einem Jahr, als sich Kunden des Konzerns über die eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten ihrer Handys beschwerten. Angeblich um die Ermittlungen nicht zu gefährden, entschied die Regierung, dass Thema geheim zu halten.

Unklar ist auch die Rolle des Technikspezialisten von Vodafone, Konstantinos Tsalikidis, der an der Affäre beteiligt gewesen sein soll, und kurz bevor die Abhöraktion aufflog, zu Tode kam. Anfangs ging die Staatsanwaltschaft von Selbstmord aus. Freunde und Verwandte standen dieser Version von Anfang an skeptisch gegen­über. Inzwischen steht sein Tod im Mittelpunkt der Spekulationen um das »griechische Watergate«, wie die Abhöraffäre in den griechischen Medien genannt wird. Ein Mord wird nicht mehr ausgeschlossen. Einen Monat vor seinem Tod wollte Tsalikidis bei Vodafone kündigen, seine Arbeitgeber lehnten den Antrag allerdings ab. »Meine Kündigung ist eine Frage von Leben und Tod«, soll er damals zu seiner Verlobten gesagt haben. Kurz vor seinem Tod, um vier Uhr morgens, schickte er seine letzen Mails an Kollegen. Sie enthielten technische Details für das Update des Vodafone-Netzes.

Die konservative Regierung versucht, sich als Wahrheitssucherin zum Wohle der Nation zu stilisieren, was ihr die Bevölkerung offensichtlich nicht abnimmt. Bei Umfragen verliert sie immer mehr an Popularität. Währenddessen empören sich Nationalisten aller Couleur über den »Angriff« fremder Mächte. In den Medien ist vor allem von der »Verletzung nationaler Hoheitsrechte« die Re­de. Wegen der ungewöhnlichen Zusammensetzung der Abgehörten vermuten viele Griechen den US-amerikanischen Geheimdienst CIA als Drahtzieher.

Das Gerücht wird auch davon genährt, dass sich der griechische Unternehmer Giorgos Katsikeas, der ebenfalls abgehört wurde, vergangene Woche als erster der Nebenklage zur Verfügung stellte. Er ist mit vielen Politikern der sozialdemokratischen Pasok befreundet, und die USA verdächtigten ihn lange Zeit, Mitglied der Stadtguerillagruppe 17. November zu sein, da er gute Beziehungen zum Nahen Osten pflegte und Yassir Arafat in den achtziger Jahren freundschaftlich verbunden war. Obwohl er zurzeit wie viele griechische Geschäftsleute lediglich lukrative Geschäf­te in Sofia tätigt, wurde er vergangenes Jahr heim­lich von Angehörigen der CIA verhört, wie vorige Woche bei der Nebenklageerhebung bekannt wur­de.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass die eigentlich Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Entweder werden ein Toter oder geheime ausländische Mächte zu Tätern stilisiert. Die Beobachtungs- und Lauschgesellschaft ist nicht Gegen­stand der öffentlichen Debatte.