Die rechte ­Alternative

Silvio Berlusconi schließt Wahlbündnis von federica matteoni

»Ehrlich gesagt, habe ich keine Hinweise, um zu behaupten oder zu bestreiten, dass es die Gaskammern in den Konzentrationslagern jemals gegeben hat.« So antwortete kürzlich in einem Fernsehinterview Luca Romagnoli, Sekretär der neofaschistischen Partei Movimento Sociale-Fiamma Tricolore, auf eine Frage nach der Shoah. Nicht, dass ein bekennender Neofaschist öffentlich als Holocaust-Leugner auftrat, war dabei der Skandal, sondern die Tatsache, dass der Professor und Europa-Abgeordnete dem Wahlbündnis des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi beitreten will. Bisher sei über die Wahlallianz nur diskutiert worden, erklärte Romagnoli, ein Abkommen sei jedoch so gut wie geschlossen.

Die neuen Freunde des italienischen Premier­ministers rückten in den vergangenen Wochen in den Mittelpunkt des Wahlkampfs. Denn die Neofaschisten von Romagnoli wären im »Haus der Freiheiten«, dem Mitte-Rechts-Bündnis, in guter Gesellschaft: Berlusconi holte bereits die Partei von Alessandra Mussolini, Alternativa Sociale, in sein Bündnis. Die Enkelin des Duce gehört keineswegs zu den »modernen«, salonfähigen Postfaschisten der Regierungspartei Alleanza Nazionale. Ihrem ehemaligen Parteichef Gianfranco Fini warf sie »Verrat« vor, nachdem er Israel besucht und sich dort für die faschistischen Verbrechen entschuldigt hatte. Obwohl sie sich immer stolz als Faschis­tin bezeichnet, handelt sie als eine Politikerin, deren Nachname ihr eher genutzt als geschadet hat. Politisch hat sie in den letzten Jahren das Image der »Verfechterin der Frauenrechte« gepflegt, das sie mit einer Mischung aus Populismus und Neucodierung feministischer Positionen durchgesetzt hat. Im Parlament hat sie sich zusammen mit sozialdemokratischen und kommunistischen Abgeordneten für Chancengleichheit für unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare in Sachen Adoption und künstlicher Befruchtung eingesetzt.

Mit Alessandra Mussolini lässt sich in der italienischen Fernsehdemokratie gut Wahlkampf machen. Für das politische Talkshow-Business ist sie jedenfalls perfekt: Mutter von drei Kindern, Europa-Parlamentarierin, Verteidigerin der Frauenrechte sowie der »Ehre« ihres Großvaters und Nichte von Sophia Loren. Sie verkörpert ein Frauenideal, und zwar ein sehr italienisches. Dass Alternativa Sociale eine rechtsextreme Partei ist, die in die Institutionen will, spielt bei dieser Mischung aus Traditionalismus und populistischem Pseudofeminismus eher eine untergeordnete Rolle.

Deshalb löste Berlusconis Bündnis mit den Rechtsextremen einen Skandal aus, der sich nicht um die Enkelin des Duce, sondern um ihre Verbündeten drehte. Nämlich um Roberto Fiore, den Vorsitzenden von Forza Nuova, und Adriano Tilgher, Chef des Fronte Sociale Nazionale. Bekanntlich rekrutieren diese Grup­pen ihre Anhänger in Fußballstadien, wo in den Fankurven Transparente mit Nazi-Sym­bolik und antisemitischen und rassistischen Sprüchen immer öfter zu sehen sind. Fiore flüchtete nach London, nachdem er in den siebziger Jahren in rechtsextreme Anschläge verwickelt gewesen war. Tilgher war in den siebziger Jahren wegen »Wiederaufbaus der faschistischen Partei« verhaftet worden. Unbequeme Namen für das Mitte-Rechts-Bündnis, die Berlusconi nicht in seinen Wahllisten lesen wollte. Um die Aufnahme der Mussolini-Partei ins Bündnis zu ermöglichen, mussten Fiore und Tilgher auf eine persönliche Kandidatur verzichten, was Alessandra Mussolini »aus Solidarität mit den Kameraden« auch tat.

Die anderen Kameraden, die nun für das »Haus der Freiheiten« antreten werden, könn­ten eine wichtige Rolle spielen, wenn es bei den Wahlen im April zu keinen klaren Mehrheiten kommt.