Rabiate Steuereintreiber

Die bewaffneten Kommunisten der Grapo haben sich zu dem Mord an einer Unternehmerin in Zaragoza bekannt. In einem Kommuniqué kündigen sie weitere Aktionen an. von thorsten mense

Die Drohung ist deutlich: »Jeder Ausbeuter, der die Entrichtung der Revolutionssteuer verweigert, wird automatisch zu einem mi­litärischen Ziel der Organisation und wird exemplarisch bestraft werden.« Was wie Stadtguerilla-Rhetorik aus den siebziger Jahren anmutet, ist ein Auszug aus einer Erklärung, die vorletzte Woche an verschiedene Medien, politische Organisationen und Unternehmervereinigungen in Spanien verschickt wurde. Nach jahrelanger Ruhe hat sich die Grapo (Antifaschistische Widerstandsgruppen des 1. Oktober) zurückgemeldet und gleich deutlich gemacht, dass sie ihre Drohung ernst meint.

In dem Schreiben bekennt sich das »Zentralkomitee« der Gruppe zu dem Mord an der 44jährigen Unternehmerin Ana Isabel Herrero Izquierdo, die Anfang Februar bei einem missglückten Entführungs­versuch im nordspanischen Zaragoza erschossen wur­de. Ihr Ehemann Francisco Colell überlebte schwer verletzt. Das »Kommando José María Sánchez Casas« hat dem Bekennerschreiben zufolge die Frau »exekutiert«, da sich das Ehepaar, »anstatt unseren Forderungen einsichtig nachzukommen, für die Konfrontation entschieden hatte«. Das Unternehmerpaar, Eigentümer der Zeitarbeitsfirma Arquitempo, habe sich durch »die Arbeitslosigkeit, die Prekarität und die Rechtlosigkeit der Arbeiterklasse« bereichert und sei eng mit der politischen Elite verbunden. Auch dass es die für das Jahr 2008 in Zaragoza geplante Weltausstellung Expo unterstützte, wird als Grund für die »Auswahl« des Ehepaars genannt.

Die Polizei geht davon aus, dass das Schreiben echt ist, und fahndet nun mit Nachdruck nach Mitgliedern der Grapo. Vergangene Woche wurde in Bilbao einer der Hauptverdächtigen, Israel Torralba Blanco, festgenommen. Er konnte der Polizei aber glaubhaft ver­sichern, dass er bereits vor Jahren wegen Alkohol- und Drogenproblemen aus der Gruppe ausgeschlossen wurde und somit auch nicht an der Aktion in Zaragoza beteiligt war. Jedoch hat er mitt­lerweile gestanden, an drei länger zurückliegenden Attentaten beteiligt gewesen zu sein, unter anderem an dem bisher letzten Mord im Namen der Organisation im Jahr 2000. Damals war in Madrid ein Angehöriger der Policia Nacional getötet worden. Die beiden anderen Hauptverdächtigen des tödlichen Überfalls in Zaragoza, Ismael Clemente López und Juan García Martín, sind bisher noch flüchtig.

Die Grapo war im Jahr 1975 als bewaffneter Arm der (wieder gegründeten) Spanischen Kommunistischen Partei PCE(r) entstanden und wurde durch spektakuläre Bombenattentate, Banküberfälle, Entführungen und Exekutionen bekannt. Im Jahr 1977, am Tag der ersten demokratischen Wahl nach dem Ende des Franco-Regimes, erschossen Mitglieder vier Polizisten in Barcelona, bei den Wahlen 1982 ließ die Gruppe in ganz Spanien über 30 Bomben explodieren. Die Grapo wird für über 300 Bombenanschläge und mehr als 80 Morde verantwortlich gemacht. Ihre Opfer waren zumeist Polizisten oder Unternehmer.

Immer noch für Spekulationen sorgt eine Entführung, die vor elf Jahren ebenfalls in Zaragoza stattgefunden hat. Mitglieder der Grapo entführten im Jahr 1995 den Unternehmer Publio Cordón und ließen ihn nach Zahlung eines Lösegeldes von umgerechnet fünf Millionen Euro eigenen Angaben zufolge wieder frei. Ein kurz vor der Entführung eingeschleuster V-Mann bestätigte vor einigen Jahren diese Version, dennoch fehlt bis heute jede Spur von dem Unternehmer. Bis Ende der neunziger Jahre explodierten im Namen der Gruppe noch vereinzelt Bomben in verschiedenen öffentlichen oder rechten Einrichtungen, seit der Festnahme von acht Führungskadern im Jahr 2002 in Paris und dem Verbot des PCE(r) in Spanien im darauffolgenden Jahr gab es bis auf kleinere Banküberfälle keine Aktionen mehr. Stattdessen nahm die Polizei in den vergangenen Jahren immer wieder Mitglieder der Grapo fest, 13 von ihnen müssen sich seit Dezember in Madrid vor Gericht verantworten.

Der PCE(r) kann in begrenztem Maße weiterhin ohne Konsequenzen öffentlich tätig sein, ähnlich wie die verbotene baski­sche Partei Batasuna. Die Partei beschränkt sich jedoch derzeit auf das Aktualisieren ihrer Internetseite, wo sie zu aktuellen politischen Ereignissen Stellung bezieht, Stalin und Mao hochleben lässt und Texte über den »Mythos vom Gulag« oder die »Notwendigkeit der revolu­tionären Diktatur des Proletariats« veröffentlicht.

In ihrem Kommuniqué kündigt die Grapo an, mit der »Reorganisierung« weiterzumachen und weiterhin Waffen und Geld zu beschaffen, »um das Niveau unseres Kampfes zu steigern«. Durch die Erhebung der »Revolutionssteuer« sollen auch in Zukunft die »ökonomischen Bedürfnisse der antifaschistischen Widerstandsbewegung« gedeckt werden, darüber hinaus soll den Arbeitern zumindest ein kleiner Teil des »Gewinns der kapitalistischen Klasse« zurückgegeben werden. Die Kommandos hätten den Befehl zur »unverzüglichen Exekution«, sollten Unternehmer die Zahlung verweigern. Aber nicht nur »Ausbeuter« und »Sklaventreiber«, auch die »Sozialfaschisten« der Regierungspartei Psoe werden in dem Papier als Feinde der Revolution genannt.

Trotz der neuen Aktionen betrachtet die Polizei die Organisation eher als einen versprengten Haufen übrig gebliebener Revolutionskämpfer. Ein »Antiterrorismus-Experte« sagte der Tageszeitung El Pais: »Sie sind wenige, sie haben alte Waffen und brauchen dringend Geld.« Aber daher seien sie »so gefährlich wie noch nie«. Die Polizei geht davon aus, dass ein Banküberfall Mitte Februar in der Nähe von Madrid ebenfalls von Angehö­rigen der Grapo begangen wurde.

Es gibt aber auch die Vermutung, dass sich die Grapo nur zurückgemeldet hat, um bei mög­lichen Verhandlungen über die Legalisierung oder Straffreiheit von bewaffneten Organisatio­nen mit von der Partie zu sein. Obwohl Regie­rungs­chef José Luis Zapatero erklärte, dass es keine Gespräche mit den baskischen Nationalisten geben werde, hält sich in Spanien das Ge­rücht über Geheimgespräche zwischen der Re­gierung und der Eta.

Innenminister José Antonio Alonso muss sich derzeit die Kritik der Opposition anhören, er habe die Grapo nicht mehr als Gefahr angesehen. In einer Sondersitzung des Parlaments versicherte er vergangene Woche dagegen, dass er nie von einer Auflösung der Gruppe geredet habe und dies auch nicht tun werde, »bis die Polizei ihre Arbeit getan hat und die Mitglieder in Verwahrung hat«. Mit »absoluter Härte« werde die Regierung vorgehen, bis zum endgültigen »Verschwinden« dieser »Bande gefährlicher Krimineller«. Die Grapo betont ebenfalls ihren »eisernen Willen weiterzumachen, bis zum Sieg des Kampfes gegen den faschistischen und imperialistischen Staat«.