Hertha DDR

Während die Vereinsführung krampfhaft Gleichmut verbreitet, schaltet sie das Internet-Fanforum schon mal ab, wenn es dort zu kritisch wird. von jürgen schulz

Idyllisch liegt es da, das Gelände der einstigen Deutschen Sporthochschule am Berliner Olympiastadion. Dick verpackt in Eis und Schnee, nur das beheizte Grün des Kunstrasenplatzes von Her­tha BSC lugt unter der Watte hervor. Doch die März-Romantik täuscht, denn hinter den bewachten Zäunen um das Trainingsgelände der Bundes­liga-Profis hat sich offenbar eine Mentalität wie in einer kleinen DDR breit gemacht. Die Vereinsführung hat eine zusätzliche Mauer errichtet. Zugang ist nur noch mit Ausweis gestattet.

Man schirmt sich ab bei Hertha gegenüber den real existierenden Problemen und Fans. Wehe, die Plebs muckt auf, dann gibt’s kein Pardon. So wie in Berlin. Weil es eine Woche vor dem Überraschungs­sieg gegen Werder Bremen sogar gegen das Bundesliga-Schlusslicht 1. FC Köln nur zu einer 2:4-Heimniederlage gereicht hatte, begehrten die Fans schließlich auf. »Hoeneß raus«, skandierten die gefrusteten Anhänger, einige wollten sogar die VIP-Loge im Olympiastadion stürmen, wo Hertha-Manager Dieter Hoeneß mit Sponsoren Hof hielt.

»Dieter Hoeneß ist ein Juwel«, verkündete Rupert Scholz nach dem Stadion-Krawall. Scholz, einst Verteidigungsminister im Kabinett Helmut Kohl, könnte sich irren. Denn für eine wachsende Schar von Herthanern ist Hoeneß der Fleisch gewordene Niedergang. Der kleine Bruder des großen Ulli Hoeneß von Bayern München muss jetzt darlegen, warum Hertha nicht nur nicht, wie von ihm einst vollmundig postuliert, um die Meisterkrone spielt, sondern ins biedere Mittelmaß abzurutschen droht.

Und dabei auch noch wirtschaftlichen Kollateralschaden erleidet. 35 Millionen Euro Schulden hat Hoeneß produziert. »Wir haben Fehler gemacht«, verkündet der Missmanager auf Nachfrage immer mal wieder von oben herab. Besonders einsichtig klingt das nicht aus dem Munde des Schwaben, dessen Attitüden Zeitgenossen wahlweise an Erich Honecker oder an Ludwig XIV. erinnern. So ließ Hoeneß etwa nach dem Super-Gau gegen Köln bislang kaum in Erscheinung getretene Vereinsgremien abstimmen, dass man einstimmig an dem wenig erfolgreichen Trainer Falko Götz fest halte. »Wir stehen bedingungslos zu Falko Götz«, beteuerte Hoeneß nach der – wen überrascht’s ?! – harmonisch verlaufenen »ZK-Sitzung« (Szene­spott). Ach ja, die Schulden! Man habe ein Sanierungspaket geschnürt mit drei Bankinstituten, das kurzfristige und deshalb für den bevorstehenden Lizenzantrag gefährliche Verbindlichkeiten in einen langfristig abzutragenden Schuldenberg verwandele, teilte die Hertha-Leitung mit. Damit solle Hertha die »Rückkehr in die Gewinnzone« packen, wie der Finanzchef des Clubs, Ingo Schiller, beteuert.

Seltsam nur, dass die Basis an das von der Vereinsführung so gern verbreitete Wir-haben-alles-im-Griff-Feeling nicht recht glauben mag und keine Ruhe gibt. Auf Hoeneß muss es wie ein Anflug von Majestätsbeleidigung gewirkt haben, als im Fan-Forum auf Herthas Internetseite ein Offener Brief auftauchte, ein Gesuch an den Manager, doch bitteschön den Hut zu nehmen. Prompt schaltete der Club das Internet-Forum ab. Der Wortlaut des Schreibens ist dennoch publik geworden. In dem Aufruf werfen »Gruppen, Mitglieder und Fans von Hertha BSC« Hoeneß Versagen auf ganzer Linie vor: »Ob in guten oder schlechten Zeiten, jahrelang wurden entgegen Ihrer Erklärung (›Wir machen nicht den Fehler anderer Vereine und geben Geld aus, das wir nicht haben‹) Verluste im Mehr-Millionenbereich erwirtschaftet (…) Die Ausgaben konnten auch nach Ihrer nunmehr zehnjährigen Amtszeit sportlich nicht refinanziert werden (…) An die Spitze gehört nun ein erfahrener kaufmännischer Sanierungsspezialist (…) Auch andere Manager hatten die Selbsterkenntnis und Größe einzugestehen und zu realisieren, wann es Zeit zum Gehen ist.«

Behandelt man so ein Juwel?