Das Echo der Hoffnung

Die erste Präsidentin Chiles verknüpft gesellschaftliche Reformen mit einer wirtschaftsliberalen Politik. Zu den linken Regierungen Lateinamerikas hält sie Distanz. von julia maisenbacher

Bislang gab es nicht einmal einen Begriff für eine Frau in dieser Position. Erst Michelle Bachelet führte das Wort »Presidenta« in den chilenischen Sprachgebrauch ein. Seit ihrer Amts­übernahme am 11. März ist erstmals eine Frau Präsidentin eines lateinamerikanischen Landes. Großplakate mit dem Slogan »Chile braucht die Kraft der Frauen« zierten am internationalen Tag der Frauen die chilenischen Straßen.

Michelle Bachelet ersetzte bei den Wahlen im Januar Präsident Ricardo Lagos, dem die Verfassung eine weitere Amtszeit verbot, als Kandidatin der Mitte-Links-Koalition Concertación, eines Bündnisses von Bachelets Sozialistischer Partei und drei weiteren Parteien. »Wir wollen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Heute weht ein anderer Wind«, versicherte sie in ihrer ersten Rede im Regierungspalast La Moneda.

Auch nach dem Ende der Militärdiktatur Augusto Pinochets vor 16 Jahren blieben die Generäle einflussreich, doch die Macht des Militärs wurde schrittweise zurückgedrängt. Während Bachelets Amtszeit als Verteidigungsministerin kam es zum ersten Mal zu einem offiziellen Eingeständnis der Militärführung, systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Eine Verfassungsänderung gab der Regierung erneut das Recht, den Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu benennen.

Einen »Schlusspunkt« bei der Verfolgung von Menschrechtsverletzungen werde es nicht geben, sagte Bachelet, die selbst unter der Diktatur gefoltert wurde und ins Exil gehen musste, in der vergangenen Woche bei der Einweihung eines Denkmals für die Opfer der Diktatur. »Die Gerichte werden ohne Ausnahme die Wahrheit feststellen.« Die Präsidentin, die sich an der chilenischen Akademie des Heeres fortbildete, legt aber auch Wert darauf, den reformierten Sicherheitsapparat zufrieden zu stellen. Ende März wurde bekannt, das Chile 118 deutsche Panzer des Typs »Leopard II« kaufen will.

Auch im Militär können Frauen nun theoretisch bis in die höchsten Ränge aufsteigen. Ihr Kabinett hat Bachelet etwa zur Hälfte mit Frauen besetzt, für das Parlament soll eine Quotenregelung eingeführt werden. Sie will den Anteil der Frauen in der Arbeitswelt erhöhen und sich für gleiche Löhne und gleiche Renten einsetzen. Derzeit erhalten Frauen manchmal noch 40 Prozent weniger Lohn für die gleiche Arbeit.

Die Gleichstellungspolitik ist Teil des »erneuerten Sozialismus«, den bereits Lagos propagierte. Er verknüpfte gesellschaftliche Reformen mit einer wirtschaftsliberalen Politik der Exportorientierung und weiteren Privatisierung. Der Wahlerfolg des Concertación-Bündnisses dürfte vor allem auf die positive ökonomische Bilanz der Regierung Lagos zurückzuführen sein, das Wirtschaftswachstum übersteigt derzeit fünf Prozent.

Dazu trug allerdings maßgeblich der gestiegene Weltmarktpreis für wichtige Exportgüter wie Kupfer bei. Die Arbeitslosenquote liegt immer noch bei zehn Prozent, etwa 20 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als drei US-Dollar pro Tag. Es gibt nur ein rudimentäres System der sozialen Absicherung, das weitgehend privatisiert ist. In ihrer Wahlkampagne versprach Bachelet, sich für die Anhebung der gesetzlichen Mindestrente einzusetzen.

Der wachsenden Zahl linker Präsidenten in Lateinamerika, die eine wirtschaftliche Integration jenseits der vor allem von den USA propagierten Freihandelszone anstreben, will sie sich nicht zuordnen. Es gebe »keine Einheitsrezepte für alle Lateinamerikaner«, sagt die Präsidentin, die glaubt, dass die EU »in vielerlei Hinsicht unser Vorbild« sein könnte. Einer Kampagne gegen Venezuela und Kuba mag sie sich aber auch nicht anschließen. Wohl deshalb urteilt die kubanische Zeitung Granma milde über Bachelet, die ein »unbestreitbares Echo der Hoffnung« erzeugt habe.