Falsche Väter

Nach den »Scheinehen« werden von den Ausländerbehörden neuerdings so genannte Scheinvaterschaften untersucht. von anke schwarzer

Die Stadt Hamburg will wachsen, so steht es im Regierungsprogramm. Ihr Ziel will die Stadt jedoch nicht mit einer offenen Einwanderungspolitik erreichen. Obwohl seit dem Jahr 1998 ein neues Kindschaftsrecht gilt, wonach ein leiblicher wie auch ein sozialer Vater gleichermaßen anerkannt werden, solange die Mutter zustimmt, verlangte die Hamburger Ausländerbehörde im vergangenen Herbst einen DNA-Test von einem deutschen Vater. Die Behörde hegte Zweifel an seiner Vaterschaft, weil die ecuadorianische Mutter der gemeinsamen Tochter zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig war.

Der Vater stimmte einem DNA-Test aber nicht zu. Die Forderung sei verfassungswidrig, und es sei nicht Aufgabe der Ausländerbehörde, in den Intimbereich familiärer Verhältnisse einzudringen, argumentierte er. Kürzlich teilte die Behörde der Mutter mit, sie müsse innerhalb von drei Monaten ausreisen, ansonsten werde sie abgeschoben. Dem stehe auch der deutsche Kinderausweis der Tochter nicht entgegen, schließlich habe dieser »lediglich deklaratorischen Charakter«, hieß es in einem Schreiben der Behörde. Der Fall liegt inzwischen vor dem Hamburger Verwaltungsgericht zur Entscheidung.

Die Innenminister der Bundesländer haben im Jahr 2002 in dem Bericht »Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit« festgestellt: »Das derzeitige Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht bietet keine Möglichkeit, den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes als Rechtsfolge einer zweckwidrigen Vaterschaftsanerkennung sowie die hiervon abgeleitete Aufenthaltserlaubnis der Mutter zu unterbinden.« Nach den so genannten Scheinehen hatten sie ein neues »Schlupf­loch« ausgemacht: die so genannte Scheinvaterschaft. Nicht nur die Mütter, sondern »ganze Familien« zögen daraus »aufenthaltsrechtliche und in der Folge auch sozialhilferechtliche Nutzen«, meinten die Innenminister und regten eine Gesetzesänderung an. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat inzwischen einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt.

Ihre Pressemitteilung beginnt einfühlsam: »Unsere Gesellschaft braucht Kinder und Kinder brauchen Väter. Seit 1998 haben wir deshalb aus gutem Grund auf jede Art von ›Vaterschafts-Tüv‹ verzichtet.« Der behördliche Vaterschaftstest wurde vor wenigen Jahren abgeschafft, um den veränderten Familienformen gerecht zu werden und nicht­eheliche Kinder mit ehelichen gleichzustellen. Trotzdem aber sei der Gesetzgeber nun bei Missbrauchsfällen gefordert, meint Zypries.

Einen DNA-Test will das Bundesjustizministerium zwar nicht einführen, doch die Behörden sollen eine Vaterschaft anfechten können, »wenn der Anerkennung weder eine sozial-familiäre noch eine leibliche Vaterschaft zugrunde liegt«. Wie die »Zweckwidrigkeit« ermittelt werden soll, bleibt offen.

Die Vorgeschichte des Gesetzentwurfs ist bemerkenswert. Die Innensenatoren von Berlin und Hamburg wiesen im Jahr 2002 auf die so genannten Scheinvaterschaften hin. Gleichwohl stellte die Innenministerkonferenz in dem oben erwähnten Bericht fest, dass noch unklar sei, ob Gesetzesänderungen erforderlich seien, da keine belastbaren empirischen Daten vorlägen. Diese wurden daraufhin per Umfrage in den Ausländerbehörden gesammelt. Das Ergebnis waren Zahlen, deren »Belastbarkeit« angezweifelt werden. Zwischen April 2003 und März 2004 sei in 2 289 Fällen eine Aufenthaltsgenehmigung an eine unverheiratete ausländische Mutter eines deutschen Kindes erteilt worden, 1 665 dieser Frauen seien zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig gewesen.

In wie vielen Fällen die Vaterschaft tatsächlich »zweckwidrig« anerkannt wurde, kann damit nicht belegt werden, gestanden die Innenminister ein. Dennoch heißt es in dem Bericht, die Daten ließen eine »Dimension« erkennen, »die eine Vernachlässigung des Problems nicht rechtfertigen«. Unter Titeln wie »Kampf gegen Scheinvaterschaft« kursieren diese Zahlen nun in Berichten von Tageszeitungen, ohne infrage gestellt zu werden. Auch die Pressemitteilung der Bundesjustizministerin bedient sich dieser Zahlen und fügt noch einen besonders reißerischen Fall hinzu, in dem ein Obdachloser für 5 000 Euro ein Kind einer ausländischen Frau anerkannt haben soll.

Die FDP, die Grünen und die Linkspartei lehnen das Vorhaben von Zypries ab. Auch verschiedene Verbände kritisieren den Gesetzentwurf. Die Rechtsanwältin Susanne Schröder vom Deutschen Anwaltverein kritisiert, dass die richtige Entscheidung aus dem Jahr 1998, wonach nicht nur biologische, sondern auch faktische Väter akzeptiert werden, nun für Personen mit nicht­deutscher Staatsangehörigkeit rückgängig gemacht werde.

Hiltrud Stöcker-Zafari, Referentin beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF), meint: »Allein aufgrund von subjektiven Mutmaßungen und fragwürdigen Statistiken der Ausländerämter gerät ein ganzer Personenkreis unter Verdacht und wird des Missbrauchs bezichtigt.« Zudem seien ausländische und binationale Eltern sowieso schlechter gestellt als deutsche. »Folglich fließen in die Entscheidungen ausländischer Mütter und Väter neben dem Kindeswohl auch aufenthaltsrechtliche Überlegungen ein, damit folgen sie der Systematik der gesetzlichen Vorgaben.« Offensichtlich sei, dass die neue Regelung ausschließlich bei binationalen und ausländischen Eltern angewendet, eine Elternschaft bei Deutschen aber nie infrage gestellt werde.

Hinzu kommt, dass ausländische Männer, die ein Kind einer deutschen Mutter anerkennen, in der Debatte kaum eine Rolle spielen. Offenbar geht es den Behörden weniger um die Aufenthaltserlaubnis der Eltern, sondern darum, dass mit der Anerkennung der Vaterschaft ausländische Kinder zu Deutschen werden könnten. Da die Kinder einer deutschen Frau sowieso als deutsch gelten, besteht hier nicht die »Gefahr«, dass ausländische Kinder ungewollt zu deutschen werden.

Die Länder und interessierte Verbände haben nunmehr Gelegenheit, zu dem Gesetzesentwurf Stellung zu nehmen. Das Thema ist speziell und schwierig. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die deutsche Öffentlichkeit wenig Interesse daran hat. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin hält sich die neue Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration auffallend zurück. Empörung über die schlechtere Behandlung von binationalen Paaren blieb bisher aus.