Zu wenig, zu spät

Aufstand in Nepal von torsten otto

»Die ausführende Gewalt wird vom heutigen Tage an dem Volk zurückgegeben«, versprach König Gyanendra. In einer vierminütigen Fern­sehansprache bat er am Freitag die Opposi­tions­allianz, einen Premierminister zu benennen, der noch in dieser Woche sein Kabinett bilden könne. Doch nach 15 Monaten autokra­tischer Herrschaft reicht vielen Nepalis das An­gebot ihres Königs, sich auf seine Rolle als konstitutioneller Monarch zu beschränken, nicht mehr.

Ursprünglich haben nur die maoistischen Aufständischen die Abschaffung der Monarchie gefordert. Derzeit reicht die republikanische Strömung weit in die bürgerliche Opposition hinein. Die Sozialdemokraten fordern eine Abdankung des Königs, die Anführer der anderen Parteien der Sieben-Parteien-Allianz wollen ihm unter dem Druck ihrer Jugend- und Studentenverbände nur eine zeremonielle Rolle zugestehen.

Seit Anfang April ist Nepal im Generalstreik. Am Wochenende protestierten trotz Ausgangs­sperre und Schießbefehl erneut Hunderttausende in den von der Regierung kontrollierten Großstädten, 300 000 Demons­tranten lieferten sich in der gesperrten Innenstadt Kathmandus Straßenschlachten mit der Polizei und der Armee. Ein Dutzend Demonstranten wurde von den Sicherheitskräften in den vergangenen Wochen erschossen, Tausende wurden inhaftiert.

Die Oppositionsallianz hat Gyanendras Angebot umgehend abgelehnt. Sie fordert die Wiedereinsetzung des Parlaments, andernfalls werde sie eine Gegenregierung bilden. Doch das 1999 gewählte Parlament wurde bereits vor vier Jahren aufgelöst, damals auf Bitte des Premierministers, dem seine Partei die Gefolgschaft aufgekündigt hatte. In den folgenden Jahren beauftragte der König verschiedene Mitte-Rechts-Parteien mit der Bildung von Übergangsregierungen. Die letzte entließ er im Februar 2005, verhängte den Ausnahmezustand und ließ Hunderte von Oppositionellen inhaftieren. Sein Kabinett aus engen Vertrauten hat scharfe Zensurbestimmungen erlassen und wird von Hardlinern aus dem Militär beherrscht. Sie haben die Regionalverwaltungen unter ihre Kontrolle gebracht und die Angriffe auf die Aufständischen verschärft, obwohl die Guerilla einen viermonatigen Waffenstillstand einhielt.

Ein wieder eingesetztes Parlament kann nur der Vorbereitung einer verfassunggebenden Versammlung dienen, in der über soziale Veränderungen, die Kontrolle des Militärs und die Rolle der Monarchie diskutiert wird. Denn bei einer Rückkehr zum Status Quo der Verfassung bliebe der König Oberbefehlshaber der Armee und hätte bei vielen Gesetzen ein Vetorecht. Die maoistische Führungsspitze hat in einer Presseerklärung Anfang der vergangenen Woche noch einmal deutlich gemacht, dass sie sich schlichten Neuwahlen widersetzen werde. Ihr Bekenntnis zum Wettbewerb der Parteien, das sie seit Ende des vergangenen Jahres öffentlich und intern zu popularisieren versucht (Jungle World, Nr. 7/06), gilt nicht ohne Bedingungen: Bevorzugung von Frauen und Dalits (Unberührbaren), Selbstverwaltung der nicht nepalisprachigen Bevölkerungsgruppen, eine Land­reform und kostenlose Grundversorgung bei Gesund­heit, Bildung und Infrastruktur sollen verfassungsrechtlich verankert werden.

Bisher hält das Bündnis zwischen den Aufständischen und der städtischen zivilen Op­position. Die Parteien haben dem Druck der EU, Indiens und der USA getrotzt, die eine Einigung mit dem Monarchen fordern. Sie wissen, dass ein Kompromiss wie 1990, aus dem die gegenwärtige Verfassung hervorging, ihren Anhängern nicht mehr reicht.