Die Welt ist schön

Die neue Platte von Blumfeld ist schön wie der Frühling, und die Natur ist gut. von andreas hartmann

Es klappt immer noch: Blumfeld veröffentlichen eine Platte, und die öffentliche Erregung darüber steigert sich ins Unermessliche. Dabei hört man seit »Old Nobody«, seit dem Paradigmenwechsel hin zu Weichheit, Bekenntnissen zu Liebe und der Münchner Freiheit und einer für deutsche Verhältnisse erstaunlichen George Michael-Haftigkeit immer dasselbe: Jetzt spinne Jochen Distelmeyer endgültig, habe sich viel zu glücklich verliebt, zu Gott bekannt, sich den Verhältnissen angepasst, nun sei er angekommen, einfach zu alt geworden, um nochmals ehrlich aufzubegehren. Und, auch sehr beliebt: Nun regiere endgültig der Schlager anstatt die Sozialkritik, politisch sei da doch gar nichts mehr, oder?

Das Schöne ist, dass all diese Erregung anscheinend immer stärker an Blumfeld abprallt, dass die Band gar um so vehementer in Sphären abtaucht, in die ihr niemand mehr folgen möchte, je stärker von ihr verlangt wird, doch mal wieder auf einer Platte derart Stellung zu beziehen wie früher. Distelmeyer macht jedoch fröhlich weiter den Erratiker und dadurch deutlich, dass er es seinen Hörern so einfach nicht machen will. Aus den Interviews und Artikeln, die massenhaft zu »Verbotene Früchte« erschienen sind, ergibt sich einfach kein klares Bild dieser Band, und manche scheinen das geradezu als persönliche Beleidigung aufzufassen. Mal sagt Distelmeyer, es ginge nur um »Rock’n’Roll« und um nichts anderes, dann bekennt er sich doch mal zur Sozialkritik, um an anderer Stelle zu behaupten, Blumfeld sei keine politische Band, vielleicht nie eine gewesen.

Das ist hart für viele, die in »L’Etat Et Moi« die definitive Absage an ein wiedervereinigtes Deutschland gesehen hatten und nicht den Glauben daran verlieren wollten, von dieser Band das immergleiche Unwohlsein an den Verhältnissen vorgesetzt zu bekommen. Stattdessen singt der Kerl abartige Textzeilen wie: »Die Welt ist schön, ich lebe gern.« Und jetzt sogar, der Gipfel der Unverschämtheit, von Tieren, dem Apfelmann, von Flora und Fauna und davon, mal wieder in See zu stechen.

Natürlich ist das hart. Selbst für mich, als zugegebenermaßen beinharten Fan der Band, der sich zugegebenermaßen einfach alles von Blumfeld vorsetzen lässt, um sich daran devot abzuarbeiten, um zu verstehen. Um zu verstehen, was das denn nun schon wieder sein soll. Doch gerade darin beweist sich ja die Größe dieser Band, darin, eben immer noch kitschiger, romantischer, verklärter zu werden, ohne dabei wirklich im Kitsch, in der Romantik, in der Esoterik anzukommen. Darin, ihre Bekenntnisse zur Weichheit immer noch schwerer verdaulich vorzutragen. Manchmal ertappt man sich heimlich dann aber doch bei der Frage: Sind sie jetzt zu weit gegangen? Sind sie nicht, sondern sie sind einfach eben bald angekommen: im Pop, im Superpop, im Snobpop. Und dieser wird in Deutschland immer noch zu wenig akzeptiert, auch von der Linken nicht. Sie versteht nichts vom Weichwerden, von den Feinheiten des Glamourpop, denen Blumfeld auf der Spur sind.

Hierzulande hat man gelernt: Die Natur ist Hippie-Quatsch, da ist der Weg zurück zur Scholle ein kurzer. Das Zeigen von Gefühlen ist Betroffenheitsquark, und überhaupt waren Punk und Härte und Breitbeinigkeit und »Zurück zum Beton« viel besser. Ja: waren. Doch wer will das noch haben? Jochen Distelmeyer verehrt Antonio Carlos Jobim und Prefab Sprout, also die weltmeisterlichsten Popverfeinerer, die man sich vorstellen kann. Zu denen möchte er aufschließen, sich deren Sensibilität mimetisch annähern. Pop dient ihm somit nicht zur Klärung von Fragen, soll nichts behaupten, sondern ein großes Rätsel sein, ein unendliches Geheimnis, dem man niemals ganz auf die Schliche kommen wird.

Was das nun also alles sein soll mit dem Fluss, dem Schmetterling, dem Schnee und den ganzen Naturmetaphern, ich werde es wohl nie ganz herausbekommen, aber wenn ich etwas ganz genau wissen will, dann lese ich auch lieber ein Buch.

Und um eines auch noch zu klären, sei der Spiegel zitiert: »Was ist deutsch an Blumfeld?« Jochen Distelmeyer: »Nichts.«