Haus des Friedens

Zum Missfallen der USA orientiert sich die Türkei zunehmend an der islamischen Welt. Gleichzeitig sind die beiden Länder auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. von jan keetman, istanbul

Während ihres Besuchs in Ankara verkündete die US-Außenministerin Condoleezza Rice, die Türkei und die USA würden ein Schriftstück über ihre gemeinsame »strategische Vision« ausarbeiten. Nun hindert niemand die Ver­treter beider Regierungen daran, ein paar schöne Wor­te auf Papier zu schreiben. Die politische Praxis sieht indessen anders aus.

Die diplomatischen Aktivitäten der türkischen Regierung sind kaum nach dem Geschmack der US-amerikanischen. Da war der offizielle Besuch des extremistischen Hamas-Ministers Khaled Meshal in der Türkei. Die Visite des zwar noch amtierenden, aber bereits so gut wie abgeschriebenen irakischen Premierministers Ibrahim Ja’fari war ebenfalls nicht das, was die USA gerne gesehen hätten, und ebenso wenig die Einladung des islamistischen Schiitenführers Muqtada al-Sadr.

Fast wäre Rice dann vergangene Woche in Ankara auch noch mit dem iranischen Chefunterhändler in Sachen Atom, Ali Larijani, zusammengeprallt. In letzter Minute wurde dessen Besuch aber um eine Woche verschoben. Doch am Flughafen hätte die Außenministerin der USA fast Esma al-Assad, der Ehefrau des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad, begegnen können.

Spätestens seitdem sich der Europäische Gerichtshof geweigert hat, das Tragen von Kopftüchern als religiöses Menschenrecht anzuerkennen, ist Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von den Europäern enttäuscht und sucht nun immer mehr Kontakte zur islamischen Welt. Diese ist dem gläubigen Muslim ein dar al-salaam, »ein Haus des Friedens«. Entsprechend sagte Erdogan bei einem Besuch in Sudan, in Darfur habe kein Völkermord stattgefunden. Und kein Sunnit habe die Bombe gelegt, die den schiitischen Schrein im irakischen Samarra zerstört hat.

Es existiert eine Art Entfremdung vom Westen, die im türkischen Alltag zu spüren ist und zu der die außenpolitischen Ausfälle der Regierung ganz gut passen. Indessen gibt es auch praktische Gründe, die die Türkei vor allem mit Syrien und dem Iran verbinden. Was sie zusammenbringt, sind ihre jeweiligen Probleme mit den Kurden, und an diesem Punkt ist die Zusammenarbeit hervorragend.

Über 100 Angehörige der PKK wurden in den vergangenen drei Jahren von Syrien und dem Iran an die Türkei ausgeliefert. Wäh­rend die türkische Armee in der vorigen Woche ihre Truppen an der irakischen Grenze um 40 000 Soldaten verstärkt hat, hat auch die iranische Armee 10 000 Soldaten im Länderdreieck Iran, Irak, Türkei aufmarschieren lassen. Bei zwei iranischen Raketenangriffen auf ein Bü­ro einer der PKK nahe stehenden Organisation im irakischen Hajji-Umran starben mindestens drei Menschen. Zugleich schießt auch die Türkei mit schwerer Artillerie über die Grenze.

In großer Zahl sind türkische Soldaten seit dem Sturz Saddam Husseins allerdings nicht mehr in den Irak eingedrungen. Generalstabschef Hilmi Özkök hat zwar unter Hinweis auf das in der UN-Charta zugesicherte Recht zur Selbstverteidigung erklärt, die Türkei brauche keine Erlaubnis der USA, um die Grenze zu überschreiten, doch offenbar traut man sich das nicht. Angesichts der Konfrontation mit dem Iran kann es sich die Regierung der USA nicht leisten, auf die Türkei als Verbündeten zu verzichten. Daher sind Behauptungen, wonach die USA die Türkei mit Nachrichten über die Umtriebe der PKK versorgen, ernst zu nehmen. Doch eines kann die Regierung der USA kaum machen, nämlich den Nachbarn des Irak Übergriffe über die Grenze zu erlauben, um so mehr, als die Kurden im Norden ihre einzigen verlässlichen Verbündeten im Irak sind.

Wegen der Kurdenfrage war es immer türkische Politik, in der Nachbarschaft den Status quo zu erhalten, daher hatte man weder Pläne einer geopolitischen Veränderung, noch teilt man die Vorhaben anderer Staaten. Nur ein Ziel hat man bisher mit der Regierung der USA geteilt, die Mitgliedschaft der Türkei in der EU. Doch Gemeinsamkeiten zwischen den USA und der Türkei gibt es immer weniger.