Regenschirme und Polizei

In Krakau wurde die schwul-lesbische Demonstration von Rechtsextremisten angegriffen. Anders als vor zwei Jahren schützte jedoch die Polizei die Teilnehmer. von matthias gärtner, krakow

Was in Deutschland mittlerweile zum unpolitischen »Friede-Freude-Eierkuchen-Karneval« verkommen ist, stellt sich in Polen noch als politische Demonstration dar, die die Gesellschaft spaltet und Rechtskonservative und Rechts­extreme in Rage bringt. Am Freitag fand in Krakow im Rahmen des schwul-lesbischen Festivals der »Marsch für Toleranz« statt. Mehrere hundert Demonstranten wollten für die Rechte von Homosexuellen in Polen eintreten. Man sei, meinte ein Sprecher der Kampagne gegen Homophobie, fester Bestandteil der Gesellschaft und wolle auch so behandelt werden. Gäste aus Dänemark, Schweden, Belgien, den Niederlanden und Deutschland wollten mit ihrer Anwesenheit ihre Solidarität zum Ausdruck bringen.

Die Polizei war bereits am Treffpunkt, mit einem Großaufgebot an Einsatzkräften mit Schlagstöcken, Gewehren mit Gummigeschossen und in voller Kampf­montur. Im Gegensatz zur Demons­tration für Toleranz im Herbst in Poznan, die brutal von der Polizei aufgelöst worden war (Jungle World 48/05), hieß es diesmal, das Aufgebot der Sicherheitskräfte gelte dem Schutz der Teilnehmer. Krakows Stadtpräsident hatte den Marsch genehmigt und den Schutz der Polizei zugesichert.

Damit liegt er nicht unbedingt im poli­tischen Trend in Polen. Vor allem der im vergangenen Jahr gewählte Präsident Lech Kaczinski lässt keine Gelegenheit aus, Les­ben und Schwule zu diskriminieren. Im vergangenen Sommer, als er noch Bürgermeister von Warschau war, verbot er die dortige Demonstration von Lesben und Schwulen mit der Begründung, dass sie »als Bürger« gern demonstrieren dürften, als Homosexuelle allerdings nicht.

Bereits nach wenigen hundert Metern zeigte sich am Freitag, wie ernst der Hinweis der Organisatoren zu nehmen war, es sei ratsam für die persönliche Sicherheit, zur Demonstration einen Regenschirm mitzunehmen. Etwa 400 Rechtsextremisten, die sich in der Innenstadt versammelt hatten, griffen unter den Augen vieler Bür­ger, die die Bürgersteige säumten, mit Flaschen, Eiern und Steinen an. Die Zuschauer reagierten auf den Angriff zum Teil mit beifälligem Nicken. Die Demonstrationsteilnehmer riefen dem Mob »Tolerancja« oder »Guten Tag, Krakow« entgegen.

Ein Auseinanderbrechen der Demonstration drohte, als Angreifer von der altehrwürdigen Burg Wawel herab, dem ehemaligen Sitz der polnischen Könige, erneut unzählige Steine auf die Teilnehmer schleuderten. Mehrere Demonstranten wurden dabei leicht verletzt, aber die regenbogenfarbenen Schirme erwiesen sich als nützliche Abwehrgeräte. Letztlich war es aber der Polizei zu verdanken, dass die Demonstration bis zum Ende fortgesetzt werden konnte.

Nach der Abschlusskundgebung hatten dann einige Gegner der Homosexuellen, die der Nachwuchsorganisation der klerikalfaschistischen Familienliga, der Allpolnischen Jugend, zuzurechnen sind, das Bedürfnis, sich Demonstrationsteilnehmern und Pressevertretern zu erklären. Auf die Frage, ob sie wüssten, dass Polen der EU angehöre und somit die Rechte von Minderheiten zu achten habe, antwortete etwa ein junger Mann: »Ich habe persönlich nichts gegen Homosexuelle, aber ich habe etwas dagegen, dass sie vor den Augen unserer Kinder Wer­bung mit solchen Aufzügen machen.« In der EU müsse man akzeptieren, dass Polen ei­ne andere Tradition habe. »In Deutschland oder den Niederlanden können die das von mir aus tun, aber nicht hier in Polen.«

Die Organisatoren zogen dennoch eine positive Bilanz. Die Polizei habe die Demonstration besser geschützt als vor zwei Jahren, und sie habe im Gegensatz zu damals zu Ende geführt werden können, hieß es. Angesichts dieser fast schon überschwänglich vorgetragenen Einschätzung ist einmal mehr festzustellen, dass die Uhren in Polen offensichtlich anders ticken.