Angebot und Verpflichtung

Es wird schwerer, den deutschen Pass zu erhalten. Die Innenministerkonferenz beschloss die Einführung eines Einbürgerungstests. von mario A. sarcletti

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) schien unklar zu sein, warum er sich mit seinen Kollegen zusammengesetzt hatte. »Wir haben zur Zeit nicht das Problem, dass es zu viele Einbürgerungen gibt, die Zahl geht eher zurück«, sagte er, nachdem die Konferenz der Innenminister sich am vergangenen Wochenende auf einen Kompromiss zum Einbürgerungsverfahren geeinigt hatte.

Zwischen den Jahren 2000 und 2004 sank die Zahl der Migranten, die sich um einen deutschen Pass bemühten, von knapp 190 000 unter 130 000. Und zukünftig werden wohl noch weniger Einwanderer die Einbürgerung beantragen, obwohl der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) sie als »die Krönung der Integration« bezeichnet. Denn es wird schwe­rer als bisher, Deutscher zu werden. Zwar müssen die Neubürger keinen »Wissens- und Wertetest« absolvieren, wie ihn Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) im März vorgeschlagen hat. So haben also auch Leute eine Chance, die die deutschen Mittelgebirge ebenso wenig interessieren wie die Fußballweltmeisterschaft von 1954.

Aber neben einer Deutsch­prüfung sollen sich die Bewerber in einem Kurs »ein Grundwissen über Grundwerte und Grundsätze unserer Verfassung« aneignen, wie Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte. Bezahlen sollen die staatsbürgerlichen Kurse die Einbürgerungswilligen selbst. Der Lernerfolg wird geprüft. Wie das passiert, bleibt den Ländern überlassen. Günther Beckstein kann sich sogar Rollenspiele vorstellen.

Mit didaktisch ausgeklügelten Methoden soll den Kursteilnehmern nach den Vorstellungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahe gebracht werden, »was es heißt, in Deutschland zu leben«. Zu den Lernzielen im Lehrplan, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausarbeiten soll, gehören auch die »Konfliktlösungen in der demokratischen Gesellschaft«. Ob diese auch effektive Maßnahmen zur Selbstverteidigung gegen rabiate Volksgenossen beinhalten?

Die Grundsätze der »Gleichberechtigung von Mann und Frau« zu pauken, würde auch einem erheblichen Teil der Menschen nicht schaden, die bereits deutsche Staatsbürger sind. Doch nach dem Willen der Innenminister sind es nur die Migranten, die in diesen Fragen erzogen werden müssen.

Für das Motto der Integrationspolitik griffen die Innenminister auf ihrem Treffen auf eine beliebte Floskel zurück, die in etlichen Bereichen der Politik verwendet wird: »fördern und fordern«. »Erwachsenen Zuwanderern bietet das Zuwanderungsgesetz mit den bundesunterstützten Integrationskursen ein Start­an­ge­bot, das auch den bereits hier lebenden Ausländerinnen und Ausländern weiter offen stehen muss«, verkünden die Innenminister. Und wer keinen guten Willen zeigt, dem drohen sie: »Wo trotz staatlichen Förderangebots die Bereitschaft zum Kursbesuch nicht besteht, müssen Sanktionen verstärkt werden.« Dass die von der CDU regierten Länder nur ungern etwas für das Förderangebot ausgeben und auf Bundesebene Überlegungen bestehen, 60 Millionen Euro für die Maßnahmen zu streichen, verschweigen die Minister.

Das Einbürgerungsverfahren, dem rheinland-pfälzischen Innenminister Karl-Peter Bruch (SPD) zufolge »ein Angebot, das allerdings verpflichtend ist«, wird aber selbstverständlich nicht allen Migranten so generös angeboten. »Für geduldete Personen sind keine Maßnahmen vorgesehen«, erklärte die Bundesregierung im Dezember auf eine Anfrage von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei.

Etwa 200 000 Menschen leben nach Einschätzung von Pro Asyl mit dem Status der Duldung in diesem Land. Mehr als 50 000 sind seit über zehn Jahren in Deutschland »aufhältig«, wie es im Jargon der Behörden heißt. Viele von ihnen sind vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien geflohen. Auch Familie H., die in Nordrhein-Westfalen lebt. »Wir sind vor 15 Jahren hierhin gekommen«, erzählt Suade H. »Wir«, das ist ihre Familie. Sie ist 13 Jahre alt. Im Kosovo, das in den Augen der deut­schen Beamten ihre Heimat ist, war sie noch nie. Sie wurde in Deutsch­land geboren, ihre Großeltern sind inzwischen hier beerdigt. Dennoch ist sie immer wieder von der Abschiebung bedroht. Dabei gehört sie zur Minderheit der Ashkali, die wie die Roma im Kosovo verfolgt werden.

»Angehörige von Minderheitengemeinschaften sind nach wie vor der Gefahr ethnisch motivierter Zwischenfälle ausgesetzt«, heißt es in einem Bericht des Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen. Das bestätigte auch eine Delegation der Stadt Münster, die im vergangenen Jahr die Region besuchte. Sie schrieb in ihrem Bericht, dass allenfalls eine freiwillige Rückkehr von Angehörigen der Minderheiten verantwortbar sei. Sie müsse aber von Maßnahmen begleitet werden, die das »soziale Umfeld verbessern«.

Die Uno-Verwaltung im Kosovo verweigerte deshalb auch wiederholt die Aufnahme von Menschen, die aus Deutschland abgeschoben wurden. Den Flüchtlingen ein Bleiberecht zu gewähren, zog die Innenministerkonferenz dennoch nicht in Betracht. Stattdessen sprach sie auf ihrem vorletztem Treffen in Karlsruhe im Dezember eine Art Drohung gegen die Uno aus: »Hinsichtlich der bekannten Probleme bei Rückführungen in den Kosovo wird um Prüfung gebeten, inwieweit durch eine Verknüpfung von Rückführungsfragen mit der Vergabe finanzieller und technischer Hilfe auf Unmik eingewirkt werden kann, damit Unmik der völkerrechtmäßigen Verpflichtung zur Rücknahme der betreffenden Personen nachkommt.«

Auch auf ihrer Sitzung in Garmisch-Partenkirchen galt die Aufmerksamkeit der Minister keineswegs Menschen wie Suade H. »Die Innenministerkonferenz hat das Thema erneut auf die lange Bank geschoben«, kritisiert Pro Asyl und nennt dies eine »Flucht aus der Verantwortung«. »Es wird den Innenministern jedoch über kurz oder lang nicht gelingen, um ein Bleiberecht herumzukommen«, vermutet Bernd Mesovic von Pro Asyl. Er verweist darauf, dass Kirchen und Gewerkschaften die Forderung nach einem gesicherten Aufenthaltsstatus für Flüchtlinge, die schon länger hier leben, unterstützen.

Die Frage des Bleiberechts stand auf der Konferenz in Garmisch-Partenkirchen gar nicht zur Diskussion. Stattdessen ließen sich die anwesenden Minister von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) über den Einsatz der Bundeswehr während der Fußballweltmeisterschaft informieren. Neben der Überwachung des Luftraums ist die Armee unter anderem für die Unterbringung und Verpflegung der Polizei zuständig. Außerdem forderten die Innenminister den Bund auf, den biome­trischen Pass einzuführen. Wer sich einbürgern lassen will, kann also demnächst direkt bei der Prüfung seinen Fingerabdruck abgeben.