Ihr kriegt uns hier nicht raus!

Ägyptische Richter haben sich aus Protest gegen Unterdrückung und Wahlmanipulation in der Richterkammer verschanzt. Die Demokratiebewegung solidarisiert sich mit der Aktion. von mahmoud tawfik

Man darf sich durchaus damit brüsten, diese Leute zu kennen oder mal etwas von ihnen gelesen zu haben: Alaa Abd El-Fatah, Malek Mustafa, Mohamed al-Sharkawi. Sie sind Blogger, Cyberdissidenten. Sie führen Demonstrationen an. Sie sind jung. Und sie zählen zu den Schlüsselfiguren der ägyptischen Opposition, die einen Großteil ihrer Erfolge einer Handvoll junger Leute zu verdanken hat.

Ende 2005 hatte die säkulare Opposition eine schwere Niederlage erlitten, kaum einer ihrer Kandidaten war bei den Parlamentswahlen erfolgreich. Derzeit aber gibt es wieder eine Zunahme der Proteste. Und der Verhaftungen. Alaa, Malek und ihre Kollegen landeten in schneller Abfolge in Untersuchungshaft. Sie bloggen in ihren Zellen eifrig weiter, die handgeschriebenen Texte werden aus dem Gefängnis geschmuggelt.

Alle Blogger wurden während der Massenkund­gebungen der vergangenen Wochen inhaftiert, die in der Innenstadt von Kairo stattfanden und immer wieder von den mehreren tausend Polizisten angegriffen wurden. »Es war wie ein kleiner Krieg«, erinnert sich die Aktivistin Salma Said. »Sie verfolgen uns, wir verstecken uns in einer Straße, kommen wieder raus, demonstrieren ein bisschen, dann entdecken sie uns und rennen wieder hinter uns her.«

Die neue Protestwelle ging von ägyptischen Richtern aus. Sie fordern ein neues Gesetz, das sie vor Einflussnahme der Exe­kutive schützt. Und sie kündigten einen detaillierten Bericht an, in dem sie Fälschungen bei der Parlamentswahl dokumentieren wollen. Die Wahl wurde unter ihre Obhut gestellt, um einen Anschein von Fairness aufrechtzuerhalten. Viele Richter haben Wahlmanipulationen zugelassen, doch eine wachsende Zahl ihrer Kollegen ist nicht mehr bereit, gesetzwidrigen Anweisungen zu folgen.

Verzweifelt versuchte das Regime des Präsidenten Hosni Mubarak, die Reformbewegung unter den Juristen zu stoppen. Es gelang ihm nicht. Mitt­lerweile wurden die populärsten Reformer an die Spitze der Richterkammer gewählt. Am 16. April leitete das Justizministerium ein Disziplinarverfahren gegen die Richter Hisham al-Bastawisy und Mahmoud Mekky ein. Beide sind führende Reformer und maßgeblich an der Fertigstellung des Wahlberichts beteiligt. Das Verfahren ist ein Präzedenzfall, noch nie wurden ranghohe Richter einer derartigen Maßregelung unterzogen.

Aus Protest verschanzten sich regimekritische Richter am 20. April im Gebäude der Richterkammer in der Innenstadt von Kairo. Viele Oppositionelle solidarisierten sich mit der ungewöhnlichen Aktion, eine Woche nach Beginn der Besetzung versammelten sich zahlreiche Demonstranten in der Innenstadt. Sicherheitstruppen zerschlugen die Kundgebung mit Gewalt und nahmen über 30 Demonstranten fest. Ein Richter, der die Kammer verließ und zur Hilfe eilen wollte, wurde übel zugerichtet. »Eine Gruppe von Sicherheitsleuten versammelte sich um ihn«, berichtet Salma Said. »Etwa 15 waren es, und sie schlugen und traten mit Händen und Füßen auf ihn ein.«

Die Richter setzen ihr sit-in fort. Der Entscheid im Disziplinarverfahren wurde auf den 11. Mai vertagt und dann nochmals um eine Woche verschoben, denn Mekky und Bastawisy erschienen nicht zu der Anhörung. Sie bezeich­nen das Verfahren als Farce und wollen auch zum kommenden Termin nicht antreten. Es sei denn, alle festgenommenen Aktivisten würden freigelassen. Deren Zahl ist mittlerweile auf mehrere hundert angestiegen. Beo­bachter gehen davon aus, dass die Regierung Schlüsselfiguren der Opposition aus dem Verkehr ziehen will. Doch ein Regime, das nun auch eine Berufsgruppe gegen sich aufgebracht hat, die als so staatstragend gilt wie kaum eine andere, muss wohl mit weiteren Problemen rechnen.