Spaß am Spielfeldrand

Obwohl ihr Team nicht an der Fußballweltmeisterschaft teilnimmt, freuen sich viele Libanesen auf die WM. Es ist aber nicht sicher, ob sie sie im Fernsehen ­verfolgen können. von markus bickel, beirut

Für Fuad und Sami ist die WM fast schon gelaufen. »Was, wir sollen über hundert Dollar zahlen, um die Spiele im Fernsehen anzusehen?« schimpft Fuad vor seinem Frisörladen im Beiruter Stadtteil Abu Talib. »Das kommt gar nicht in Frage!«

Gemeinsam mit seinem Cousin Sami und anderen Verwandten und Kumpels aus der Nachbarschaft wollte der bekennende Fan Italiens das Turnier eigentlich live verfolgen. Doch die Entscheidung des Inhabers der Lizenzrechte für die Fernsehübertragung der Weltmeisterschaft in Nahost, Arab Radio and Television (ART), machte Sami eine Woche vor dem Eröffnungsspiel einen Strich durch die Rechnung. In großen Zeitungsanzeigen warnte der in Saudi-Arabien ansässige Satellitensender davor, über illegale Anbieter die Spiele auf den Bildschirm zu holen.

Libanesische Fußballfans, die das trotzdem versuchen, könnte der Spaß teuer zu stehen kommen. Drei Jahre Gefängnis oder 33 000 US-Dollar Strafe drohen bei Verstößen gegen das Sendemonopol. Hundert Millionen Dollar hat ART schon vor der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea 2002 gezahlt und sich so die regionalen Senderechte bis einschließlich 2014 gesichert. Privatkunden bietet das libanesische TV-Netzwerk Econet die WM-Spiele für knapp 160 Dollar an. Das monatliche Durchschnittseinkommen im Land aber beträgt weniger als 300 Dollar.

»Die Anbieter verdienen jedes Mal mehr Geld, und die einfachen Leute schauen in die Röhre«, beklagt sich Sami. Aufzeichnungen der Paarungen, zwölf Stunden nach Spielschluss, wenn die Ergebnisse längst bekannt sind, werde er sich jedenfalls nicht anschauen.

Lediglich die von der libanesischen Regierung nach Beginn der Anzeigenkampagne eilig abgegebene Versicherung, »eine temporäre Lösung zu finden, die die Rechte der Bürger, das Turnier zu sehen, ebenso berücksichtigt wie die von ART«, könnte die fußballbegeisterten Libanesen noch in den Genuss der Weltmeisterschaft bringen. Denn Besuche in Kneipen, die über Raya Media International, den Vertragspartner von ART, die Spiele legal anbieten, sind nur für die wenigsten drin. Je nach Größe des Lokals liegen die Preise zwischen 1000 und 6000 Dollar.

Dabei sind die libanesischen Fans schon seit Wochen im WM-Fieber; überall sind Wagen zu sehen, die mit Fähnchen der WM-Mannschaften versehen sind. Und wo den Rest des Jahres nur das rot-weiß gestreifte Tuch mit der libanesischen Zeder hängt, herrscht auf einmal nationale Vielfalt: Von den Balkons in Beirut, Saida und Zahle baumeln Fahnen. Die von Brasilien, Italien und Deutschland sind in fast jeder Straße zu sehen, aber auch die Anhänger der argentinischen, französischen und englischen Mannschaften zeigen sich auf diese Weise.

Kein Wunder, leben doch allein in Brasilien fast doppelt so viele Libanesen wie im Libanon selbst, annähernd acht Millionen. Auch die Exil-Communities in Deutschland, Frankreich oder Argentinien stehen im regen Austausch mit den Daheimgebliebenen. Als Brasilien im Jahr 2002 das Finale gegen Deutschland gewann, stand der Verkehr an der Beiruter Corniche stundenlang still, begleitet wurde die Party an der Uferstraße von Hupkonzerten und einem grün-gelb-blauen Fahnenmeer. Aber auch Deutschland-Fans stimmten in den Jubel ein.

An denen mangelt es vier Jahre später wieder nicht. Taxifahrer George zum Beispiel ist einer von ihnen: Weniger des Spielstils der Mannschaft wegen, als aus alter Verbundenheit zu deutscher Qualitätsarbeit. Über dreißig Jahre alt ist sein blauer Mercedes 200, mit dem er wie Tausende andere Kollegen durch die verstopften Straßen der libanesischen Hauptstadt fährt. »Ich kann mich nicht mehr erinnern, seit wann ich bei Weltmeisterschaften zu Deutschland halte. Irgendwie ist es schon immer so«, sagt er und grinst. Die Münchner HipHop-Band »Blumentopf« sang im November auf einem Konzert in Beirut: »Egal, was ich sag’, die Leute verstehen mich eh’ nicht, kennen von Deutschland nur Mercedes und Mehlis.«

»Zu Gast bei Freunden«: In Städten wie Beirut oder Tripolis, wo Deutsche seit Jahrzehnten wohnen, hat der WM-Slogan seine eigene Lesart, nicht erst, seitdem der Berliner Staatsanwalt Detlev Mehlis im vorigen Jahr für seine Ermittlungen im Mord am ehemaligen libanesischen Premier Rafik Hariri gefeiert wurde. Deutsche Institutionen wie das Orient-Institut sind fest im Libanon verankert, das Goethe-Institut zeigt zur Einstimmung auf die Spiele bereits seit Anfang Mai Filme über Fußball. Und in der deutschen evangelischen Gemeinde werden das Eröffnungsspiel und weitere Begegnungen live übertragen.

Sami und Fuad hoffen, dass die libanesische Regierung bis dahin endlich eine zuschauerfreundliche Entscheidung über die Übertragungsrechte gefällt hat. Denn auf die WM verzichten, das kommt für sie nicht in Frage. Zur Not legen sie dann eben noch ein Kabel vom Dach des Familienhauses hinüber zu Bekannten in der Nebenstraße, die überlegen, Econet das Geld für den Empfang zu zahlen. Durchblick zu bekommen in dem Kabelsalat, der da oben schon heute herrscht, dürfte den staatlichen Kontrolleuren ziemlich schwer fallen.