Die Miliz lacht nicht

Der Uno-Sicherheitsrat und viele Libanesen fordern die Entwaffnung der Hizbollah. Doch dem widersetzt sich die islamistische Organisation erfolgreich. von markus bickel, beirut

Hassan Nasrallah wies alle Anschuldigungen von sich. »Ich kann Ihnen versichern, dass eine viel, viel größere Anzahl von Teilnehmern erschienen wäre, hätte die Hizbollah zu Demonstrationen aufgerufen«, sagte der Generalsekretär der libanesischen »Partei Gottes« auf einer Pressekonferenz in der vorigen Woche. Den Vorwurf, Kader seiner schiitischen Organisation seien für die Krawalle Anfang Juni verantwortlich gewesen, die Beirut und andere libanesische Städte nach der Ausstrahlung einer Satiresendung erschütterten, bezeichnete der 45jährige religiöse und politische Führer als absurd. Vielmehr seien der Sender LBCI und die hinter ihm stehenden antisyrischen Kräfte schuld an der »Angst und Erniedrigung«, die Anhänger der Hizbollah wegen der Satiresendung »Bas­mat Watan« erleiden hätten müssen.

Der von der Sendung verbreitete Spott über den Kampf der Hizbollah gegen Israel genügte offensicht­lich, um Anhänger der Partei zu den Ausschreitungen zu bewegen. Dass die satirische Kritik ausgerech­net auf dem Christensender LBCI lief, der während des Bürgerkrieges vom rechten Milizenführer Samir Geagea gegründet worden war, hat zu den heftigen Reaktionen sicher beigetragen. In Ashrafieh, einem mehrheitlich von Christen bewohnten Viertel der Hauptstadt, gingen Marienstatuen zu Bruch, Reifen wurden in Brand gesetzt, mindestens drei Personen wurden verletzt.

Die Protestierenden empörten sich vor allem über eine Szene in der Satiresendung, deren Name ein Wortspiel ist, das sowohl »Das Lachen einer Nation« als auch »Eine Nation, die stirbt« bedeuten kann. Der Interviewer fragt einen mit dem für Nasrallah typischen Vollbart, mit Brille und schwarzem Turban ver­kleideten Schauspieler, ob die Hizbollah ihre Waffen niederlegen werde, sollte Israel sich aus den besetzten Shebaa-Farmen zurückziehen. Die nur wenige Quadratkilometer große Gegend im Südlibanon ist immer wieder Schauplatz von Gefechten zwischen israelischen Truppen und Kämpfern der Hizbollah. Das Nasrallah-Double antwortet, dass die Organisation ihre Waffen brauche, »um das Haus von Abu Hassan in Detroit von seinem jüdischen Nachbarn zu befreien«.

Der Witz spielt darauf an, dass immer mehr Libanesen glauben, der Hizbollah sei jede Ausrede recht, um ihre Waffen zu behalten. Seitdem der Uno-Sicher­heitsrat im September 2004 die Resolution 1 559 verabschiedete, steht eigentlich die Entwaffnung der im Parlament und in der Regierung vertretenen Partei an. Das wird von Nasrallah und anderen Hizbollah-Kadern aber vehement als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes« abgelehnt.

Doch viele Libanesen verstehen sechs Jahre nach dem Ende der israelischen Besetzung des Südlibanons immer weniger, warum die lange als »nationaler Widerstand« gefeierte Organisation ihre Waffen weiter behalten solle. Der Friedensvertrag von 1989 sah die Entwaffnung aller im stark konfessionell geprägten Bürgerkrieg, der von 1975 bis 1990 dauerte, entstandenen Milizen vor. Er räumte aber der Hizbollah als einziger Fraktion das Recht ein, ihren Kampf gegen die israelischen Truppen weiterzuführen. Warum das heute noch gelten soll, ist unklar. Für die Shebaa-Farmen, das einzige nach dem Abzug der Isra­elis nicht unter libanesische Kontrolle geratene Gebiet, wünschen sich die meisten der vier Millionen Einwohner des Landes eine diplomatische, keine militärische Lösung.

Für die achte Runde des »Nationalen Dialogs« aber, bei der am Donnerstag der vergangenen Woche die wichtigsten liba­ne­sischen Politiker über eine mögliche Entwaffnung ent­scheiden wollten, kamen die Krawalle zum ungünstigsten Zeitpunkt. Statt wie geplant über eine von der Hizbollah eingebrachte »nationale Verteidigungsstrategie« zu be­raten, vertagte man sich auf Ende Juni. Alles, was die Politiker für die ohne­hin vor allem mit der Fußballweltmeister­schaft beschäftigte Bevölkerung parat hat­ten, war die Einigung auf einen Ehrenkodex. Er soll dazu beitragen, dass die politischen Kontrahenten den »gegenseitigen Respekt« wahren.

Ein schwieriges Unterfangen. Denn ein Jahr nach dem kurzen »Beiruter Frühling« der Demokratie, als Massendemonstrationen im April 2005 den Abzug der seit 1976 im Libanon sta­tionierten syrischen Truppen bewirkten, stehen sich anti- und prosyrische Allianzen unversöhnlich gegenüber. Die Freie Patriotische Bewegung Michel Aouns steht auf der Seite der Hizbollah und der zwei­ten großen schiitischen Partei, der Amal von Par­lamentspräsident Nabih Berri, die alle die Unterstützung von Syriens Präsident Bashar al-Assad genießen. Das antisyrische Bündnis um Saad Hariri, Geagea und Walid Jumblatt verliert immer mehr an Einfluss. Ein einvernehmlicher Beschluss zur Ent­waffnung der 1982 von iranischen »Revolutionswäch­tern« gegründeten und seit Jahren von Syrien und Iran unterstützten Miliz erscheint deshalb auch Ende des Monats äußerst unwahrscheinlich.

Die mit elf Abgeordneten im Parlament und zwei Ministern in der Regierung vertretene Hizbollah hat stets auf die anhaltende Besetzung der Shebaa-Farmen verwiesen, um ihrer Entwaffnung zu entgehen. Da sie in der Vergangenheit jedoch immer wieder Ziele im Norden Israels angriff, erscheint das vor allem den antisyrischen Kräften als vorgeschobener Grund. Erst Ende Mai sorgte der Beschuss israelischer Stellungen mit Katjuscha-Raketen für stundenlange Gefechte. Am Ende flog die israelische Armee Luftangriffe. Letztlich sah sich die Hizbollah gezwungen, die im Südlibanon stationierten Uno-Truppen um die Vermittlung eines Waffenstillstands zu bitten.

Außerdem gibt es neben der Hizbollah im Li­banon noch weitere Milizen, etwa palästinensi­sche, mit denen Syriens Präsident Bashar al-Assad verbündet ist. Einiges deutet darauf hin, dass er ihnen eine härtere Gangart im innenpolitischen Machtkampf nahe legte. Mitte Mai kam es in der Bekaa-Ebene zu Gefechten zwischen Einheiten der libanesischen Armee und Kämpfern der Fatah-Intifada, einer in Damaskus ansässigen palästinensischen Fraktion. Meh­rere syrische Militärlastwagen statteten die Grup­pierung während der Auseinandersetzungen mit Nachschub aus. Einem Katjuscha-Angriff auf Israel ging ein Attentat auf den füh­renden Kader der prosyrischen Volksfront zur Befreiung Palästinas – Generalkommando (PFLP-GC) in der südlibanesischen Stadt Sidon voraus.

Jedoch dürfte nicht einmal die Beileidsbekundung von Libanons Premierminister Fuad Siniora den syrischen Präsidenten zu einer Än­derung seiner Politik bewegen. Siniora ließ Assad anlässlich des sechsten Todestages von dessen Vater Hafez sein Beileid übermitteln.