Französisch studieren

Die griechische Regierung will erstmals die Gründung privater Hochschulen erlauben. Dagegen regt sich heftiger Protest der Studierenden. von harry ladis, thessaloniki

Kein Studentenprotest findet derzeit in Europa statt ohne einen Bezug zum Kampf der französischen Studenten gegen die Arbeitsmarktreform im Frühjahr. Nicht nur in Deutschland wird von französischen Verhältnissen geträumt. Seit mehreren Wochen protestieren die griechischen Studenten gegen die geplante Reform des Hochschulsystems.

Dabei handelt es sich um die größte studentische Mobilisierung seit 15 Jahren. Von den rund 450 Uni­versitäten in Griechenland sind mitt­ler­weile über 300 besetzt. Seit dem 1. Juni befinden sich auch die Dozenten in einem unbefristeten Streik. Die Proteste richten sich gegen den Gesetzesentwurf der Bildungsministerin Marietta Giannakou-Koutsikou von der konservativen Regierungspartei Nea Dimo­kratia, insbesondere gegen die faktische Abschaffung des staatlichen Monopols im Bildungswesen. Der umstrittenste Punkt des Entwurfs sieht die Gründung von privaten Hochschulen vor, die bisher in Griechenland nicht zugelassen war. Dazu ist eine Verfassungs­än­de­rung nötig. Teile der Studentenschaft und auch viele Hochschullehrer befürchten, dass damit Studenten, die Geld haben, künftig bevorzugt und die staatlichen Universitäten vernachlässigt werden könnten.

Die Regierung begründet die Maßnahme mit der Anpassung an die Anforderungen des so genannten Bologna-Prozesses, eines Plans der EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums bis zum Jahr 2010. Das Ziel der EU ist es, die »internationale Konkurrenzfähigkeit« der euro­päischen Hochschulausbildung zu fördern.

Der Entwurf der griechischen Regierung sieht außerdem vor, dass Studenten exmatrikuliert werden sollen, wenn sie die Regelstudienzeiten ihres Fachs um die Hälfte über­schreiten. Wenn beispielsweise ein Studium acht Semester dauert, muss es spätestens im 12. Semester beendet werden. Außerdem sollen Universitätsbücher nicht mehr kosten­los zu erhalten sein, was in Griechenland, wo der Mangel an modernen Bibliotheken eine bittere Realität ist, bisher vielen den Zugang zum Studium überhaupt erst ermöglicht hat.

Ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfes betrifft die Einschränkung des »akademischen Asyls«, einer Bestimmung, die seit dem Ende der Militärherrschaft protestierende Studenten in besetzten Universitäten vor gewalttätigen Einsätzen der Polizei schützt. Im November 1973 hatte die damalige griechische Obristen-Junta einen Studentenaufstand im Athener Poly­techneio mit Panzern blutig beendet. Seit 1982 ist es der Polizei verboten, Hochschulgebäude zu betreten ohne die Zustimmung eines Gremiums, in dem sowohl die Universitätsleitung als auch Studenten vertreten sind.

Die griechische Polizei argumentiert nun, dass das Gesetz nicht mehr zeitgemäß sei, da sich in den vergangenen Jahren die Universitäten zu »Sammelbecken des Ungehorsams« entwickelt hätten.

In den vergangenen zwei Wochen demons­trierten in Athen und Thessaloniki über 10 000 Menschen. In Athen kam es zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Fast täglich blockieren demonstrierende Studenten Hauptverkehrsstraßen in Athen und anderen Städten des Landes.

Am vergangenen Freitag konnten die Protestierenden einen ersten Erfolg verzeichnen: Die Bildungsministerin verschob die Vorlage des Gesetzes im Parlament auf den Herbst. Der Vorsitzende des Verbandes der griechischen Hochschullehrer, Ioan­nis Maistros, wertete die Verschiebung der par­la­men­tarischen Beratung des Gesetzentwurfs als »einen ersten Sieg«. Dennoch sollen die Streiks und Demons­trationen vorerst fortgesetzt werden.