Lücken im Spielplan

Zu Gast bei Freunden? Von wegen! Die Teams aus Ghana und Nigeria dürfen nicht zur Weltmeisterschaft im Streetfootball nach Deutschland einreisen. von christoph villinger

Viele hofften noch tagelang auf ein Nachgeben der Bundesregierung. Doch das Auswärtige Amt blieb trotz aller Proteste und der in diesen Tagen penetrant gelobten deutschen Gastfreundschaft hart. Zwei Teams aus der ghana­ischen Hauptstadt Accra und der nigerianischen Hauptstadt Lagos durften nicht zur Weltmeisterschaft der Straßenfußballteams nach Deutschland einreisen. Die deutschen Botschaften bescheinigten den jugendlichen Fußballern eine »mangelnde Rückkehrwilligkeit«. Offenbar hatten die Fußballer in den Gesprächen mit den Diplomaten zu freimütig von einer Karriere als Profifußballer geträumt.

So begann die 1. Weltmeisterschaft im Straßenfußball auf dem Kreuzberger Mariannenplatz am vergangenen Sonntag mit 22 statt 24 Teams aus allen fünf Kontinenten. »Die Lücken im Spielplan werden nicht gefüllt, stattdessen laufen Clips und Bilder aus den beiden Projekten auf der Großbildleinwand im Stadion«, sagte der Geschäftsführer von Streetfootballworld, Jürgen Griesbeck.

Je zwölf Minuten lang spielen die aus fünf Spielerinnen und Spielern bestehenden Teams auf dem nur 15 mal 25 Meter großen Bolzplatz gegeneinander. Jungen und Mädchen spielen zusammen, ohne Schiedsrichter, die Spielregeln werden vor jedem Match neu ausgehandelt. Mit dabei ist unter anderem das Team »fx united« aus mehreren Jugendzentren in Friedrichshain-Kreuzberg und ein israelisch-palästinensisches »Peace Team«. Weitere Gäste reisten aus dem Senegal, aus Kenia, Ruanda, Argentinien und sogar aus Afghanistan an.

Nach sechs Tagen wird am kommenden Samstagabend feststehen, welches der Teams den begehrten »Copa Andrés Escobar« mit nach Hause nehmen darf. Der Pokal erinnert an den kolumbianischen Fußballnationalspieler, der vor 14 Jahren auf offener Straße von Unbekannten ermordet wurde, weil er bei der Weltmeisterschaft 1994 im Spiel gegen die USA ein Eigentor geschossen hatte. Unter dem Eindruck dieses Mordes entwickelte Jürgen Griesbeck, damals Gastdozent für Sportsoziologie an der Universität von Medellín, der Stadt, aus der Andrés Escobar kam, das Streetfootball-Projekt. Ihm geht es darum zu zeigen, dass »Fußball die Menschen von Hass, Einsamkeit und Verzweiflung wegbringt und zu Respekt und Fairplay führt«.

So wird in Kreuzberg selbstverständlich mit fair gehandelten Bällen gespielt. Vor dem kleinen Stadion auf dem Mariannenplatz, das arbeitslose Berliner Jugendliche in den vergangenen Wochen aufbauten und das für rund 2 000 Zuschauer Platz bietet, gibt es kulinarische Köstlichkeiten aus den beteiligten Ländern. Millionen von Euro steckte die Fifa in dieses und ähnliche Projekte, die als kulturelles Begleitprogramm zur Fußballweltmeisterschaft dienen. Sogar die Ausstellung »BallArbeit« über Fußball und Migration und die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen der Profifußballer zwischen »Menschenhandel und Plünderei« finanziert der Weltfußballverband mit.

Die Fifa und der Deutsche Fußballbund haben sich offiziell dem Kampf gegen den Rassismus in den Stadien verschrieben. Ab Herbst sollen Schieds­­richter auch in Deutschland eine Partie abpfeifen dürfen, falls es zu rassistischen Ausschreitungen kommt. Den Fußballern in Accra und Lagos nützt das alles sehr wenig.

Vielleicht haben sie in vier Jahren mehr Glück. Die nächste Weltmeisterschaft im Straßenfußball soll wieder gleichzeitig mit der großen Fußballweltmeisterschaft in Südafrika stattfinden.

Die Ausstellung »BallArbeit« ist im Internet zu finden unter: www.flutlicht.org