Planet der Waffen

Die Vereinten Nationen wollen die Verbreitung von Kleinwaffen besser kontrollieren. Das Unterfangen ist nahezu aussichtslos. von martin schwarz

Ausgerechnet in den USA, ausgerechnet rund um den mit patriotischem Pathos gefeierten amerikanischen Nationalfeiertag, den 4. Juli. Das ist für die National Rifle Association (NRA) einfach zu viel: »Diese Diktaturen, Terrorstaaten und so genannten ›freien‹ Nationen der Welt wollen sich auf unserem Heimatboden treffen, um den Bürgern aller Nationen das Recht auf Selbstverteidigung zu nehmen.« Wayne LaPierre, der Vizepräsident der einflussreichen Lobbyorganisation, protestiert »im Namen aller 90 Millionen sich an Gesetze haltende Waffenbesitzer und aller vier Millionen NRA-Mitglieder« gegen »diesen Angriff auf unser per Verfassung garantiertes Recht, Waffen zu tragen«. Die NRA will das UN-Hauptquartier in New York sogar unter Beschuss nehmen, allerdings nur mit Protestbriefen.

Doch ebenso wie dieser Beschuss höchstens von symbolischer Wirkung ist, werden wohl auch die Empfehlungen und Erkenntnisse der Diplomaten und Experten auf der Konferenz, die die Verbreitung von Kleinwaffen beschränken soll, den Lauf der Dinge nicht beeinflussen können. »Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit«, sagt UN-Generalsekretär Kofi Annan. Etwa 500 000 Menschen sterben jährlich an den Verletzungen, die ihnen durch Schnellfeuergewehre, Pistolen und ähnliches Gerät zugefügt werden. Rund 650 Millionen dieser Waffen gibt es derzeit auf der Welt, davon alleine 100 Millionen Exemplare der legendären Kalaschnikow. Das Handelsvolumen liegt jährlich bei 3,2 Milliarden Dollar, Schätzungen zufolge wird ein Viertel des Betrags durch illegalen Waffenhandel erwirtschaftet.

Es sind diese ausufernden Dimensionen, die eine Eindämmung des Problems durch eine Organisation wie die Vereinten Nationen schwierig machten und die Konferenz in New York zum Misserfolg verurteilten. Es ist nicht der erste Versuch, die Kontrollen zu verschärfen. Auf der letzten Kleinwaffenkonferenz im Jahr 2001 hatte man sich auf ein Aktionsprogramm geeinigt, aber die Vereinbarung ist nicht verbindlich und beschränkt sich weitgehend auf staatlichen Waffenbesitz und -handel. Doch das Hauptproblem liegt nach Meinung vieler Experten eher im illegalen und privaten Besitz von Kleinwaffen und im Handel mit ihnen.

Die meisten Kriege in Afrika wären ohne Kleinwaffen eine eher träge Angelegenheit. Diese Waffen sind so billig, dass auch lokale Warlords sie in größeren Mengen erwerben können, und sie sind so leicht und einfach zu bedienen, dass auch die gerne eingesetzten Kindersoldaten mit ihnen umgehen können. Die Warlords und Milizen in Bürgerkriegsgebieten aber können schwerlich von Aktionsprogrammen und Petitionen der Vereinten Nationen zur Räson gebracht werden. Da hilft es auch nichts, dass Kofi Annan, ein Meister der inhaltslosen Inszenierung, auf der Konferenz eine von einer Million Menschen unterzeichnete Petition für schärfere Waffenkontrollen in Empfang nahm. Ansetzen können die Vereinten Nationen höchstens bei den Herstellern. Diese sitzen nicht in Afrika: Russland, die USA, Italien und Deutschland zählen zu den Hauptexporteuren von Kleinwaffen.

Zumindest die Statistik spricht eindeutig für strengere Kontrollen. In Deutschland, wo der Erwerb von Schusswaffen relativ streng reglementiert ist, starben im Jahr 2003 373 Menschen durch Morde, die mit Kleinwaffen verübt wurden. In den USA wurden im gleichen Jahr etwa 30 000 Menschen mit Kleinwaffen getötet, rund 12 000 von ihnen waren Opfer von Morden. Der Rest starb durch unbeabsichtigte Schüsse oder ging in den Freitod. Zumindest amerikanische Waffenbesitzer eliminieren sich also nicht selten selbst. Der Beschuss des UN-Hauptquartiers in New York durch die Anhänger der National Rifle Association dürfte da wohl die harmloseste Aktivität der Lobbyisten sein.