Frieden spaltet

Die Finanzierung des Militäreinsatzes in Afghanistan hat in der italienischen Antikriegsbewegung eine Debatte über den Umgang mit der neuen Mitte-Links-Regierung ausgelöst. von catrin dingler, rom

Italien lehnt den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Streitigkeiten ab.« Mit Bezug auf Artikel 11 der italienischen Verfassung wurde der Protest gegen den Irak-Krieg im Frühjahr 2003 zur regenbogenfarbenen Massenbewegung. Die linken Parteien, allen voran Rifondazione Comunista (PRC), unterstützten damals die Antikriegsbewegung. Die PRC wollte sich als privilegierte Instanz zur Vermittlung zwischen den sozialen Bewegungen und der Politik profilieren, auf ihren Listen kandidierten für die Parlamentswahlen im April mehrere Aktivisten der sozialen Bewegungen.

Als Erfolg dieser Kooperation gilt für die italienischen Pazifisten, dass die Mitte-Links-Koalition nicht nur den Abzug der italienischen Truppen aus dem Irak beschlossen hat. In ihrem Regierungsprogramm wurde auch festgeschrieben, dass der Einsatz militärischer Kräfte in keinem Fall mit humanitären Interventionen gleichgesetzt werden dürfe und letztgenannte nur von zivilen Kräften organisiert werden können. Die neue Regierung sollte sich für die Antikriegsbewegung nicht nur von der neokonservativen Idee abgrenzen, Demokratie mit Waffengewalt zu exportieren, sondern auch von dem Begriff des »humanitären Krieges« distanzieren, der in den neunziger Jahren von der damaligen Mitte-Links-Koalition propagiert worden war.

In der Regierungskoalition von Romano Prodi kam es jedoch Anfang Juni zu ersten Unstimmigkeiten, als der Generalsekretär der Nato, Jaap de Hoop Scheffer, mitteilte, dass man zur Unterstützung der geplanten Offensive der International Security Assistance Force (Isaf) im Süden Afghanistans von Italien sechs Jagdbomber des Typs AMX anfordern werde. Die Beteuerungen von Verteidigungsminister Arturo Parisi, Italien werde die Kampfmaschinen nicht liefern, klangen nicht glaubhaft, umso mehr, als Außenminister Massimo D’Alema bei seinem Antrittsbesuch in Washington eine Verstärkung der italienischen Einheiten in Afghanistan in Aussicht stellte.

Damit war das Einverständnis, das die Opposi­tion mit der Regierung Silvio Berlusconi mühsam demonstriert hatte, nicht länger aufrechtzuerhalten. Zwar war der Krieg im Irak mit Verweis auf den »amerikanischen Unilateralismus« immer einstimmig kritisiert worden, doch die Beteiligung an den militärischen Operationen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Enduring Freedom) und zur Unterstützung der afghanischen Regierung hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode die Widersprüche im Mitte-Links-Bündnis deutlich werden lassen. Während die linksliberalen Parteien regelmäßig das Geld für die Militärmission in Afghanistan bewilligten, stimmten Kommunisten und Grüne jedes Mal dagegen.

Die radikale Linke steht nun vor dem Problem, sich entweder wie gehabt gegen den von der Nato geführten Einsatz in Afghanistan auszusprechen und so die Stabilität der Regierung in Frage zu stellen oder aber dem Anfang nächster Woche fälligen Beschluss zur weiteren Finanzierung der Militärmission zuzustimmen und so die Forderungen der Friedensbewegung zu verraten.

Nachdem die Linksparteien in einem aberwitzigen Konkurrenzkampf zunächst versucht hatten, sich mit rigorosen Stellungnahmen bei der Basis zu profilieren, einigten sich die Fraktionsvorsitzenden der Koalition Ende Juni auf einen Kompromiss. Das von der Regierung den Kammern zur Diskussion vorgelegte Gesetz sieht nun vor, dass die für die Mission im Irak bereitgestellten Mittel ausschließlich für den Rückzug der Truppen verwendet werden, der spätestens im Herbst abgeschlossen sein soll. Die Mittel für den militärischen Einsatz in Afghanistan sollen unverändert bleiben.

Dagegen sollen die Finanzmittel für nicht näher bestimmte »Kooperationsprojekte« erhöht werden. Die Vorstellung, dass die Gesetzesvorlage nur mit den Stimmen der Opposition angenommen werden könnte und sich damit die knappen Mehrheitsverhältnisse in den Kammern verschieben würden, beschwört das Schreckensbild von Neuwahlen. Entsprechend aufgeregt werden deshalb die Stimmen derjenigen gezählt, die den Kompromiss ablehnen und sich nicht mit einer Begrenzung des Schadens zufrieden geben wollen, sondern ein deutliches »Zeichen der Diskontinuität« fordern. Eine schwankende Zahl von acht bis zehn Mitgliedern der zwei kommunistischen Parteien (PRC und italienische Kommunisten) und der Grünen will gegen das Dekret stimmen, sollten die eingebrachten Ergänzungsanträge unberücksichtigt bleiben. Verlangt wird die Einrichtung einer Kommission zur Beobachtung der italienischen Auslandsmissionen und die Organisation einer internationalen Friedenskonferenz für Afghanistan. Damit sollen Möglichkeiten einer exit strategy aufgezeigt und es soll die Basis für einen militärischen Rückzug (nicht nur) der italienischen Truppen gelegt werden.

Doch die Tatsache, dass es nicht mehr gegen Berlusconi, sondern gegen die »eigene« Regierung geht, hat die außerparlamentarische Opposition gespalten. Ein Großteil der pazifistischen Bewegung hat sich längst dagegen ausgesprochen, die Regierung in die Krise zu stürzen. Ein Vertreter der NGO »Un ponte per« befürwortet ausdrücklich den von der Regierung ausgehandelten Kompromiss.

Der als radikal geltende Flügel der Bewegung spricht sich weiterhin gegen jede Beteiligung an militärischen Operationen im Ausland »ohne Wenn und Aber« und für die Schließung der amerikanischen Militärbasen in Italien aus. Diese Meinung vertreten unter anderem die Basisgewerkschaft Cobas, die Bewegung der Disobbedienti und die Hilfsorganisation Emergency. Die Angehörigen dieser Antikriegsfraktion zeigen Verständnis für den »Widerstand der Bevölkerung gegen die Besatzer«. In ihrem antiamerikanischen Eifer verkennen sie völlig, dass es etwa in der Isaf-Mission längst nicht mehr nur um die machtpolitischen Interessen der USA, sondern auch um die anderer Staaten geht.

Vittorio Agnoletto, ehemaliger Vorsitzender des Sozialforums Genua und heutiger Europaabgeordneter der PRC, hat für den 22. Juli, dem fünften Jahrestag der Erschießung Carlo Giulianis, zu einer Demonstration aufgerufen, in der Hoffnung, dass die Bewegung von Genua aus zu alter Stärke und Geschlossenheit zurückfindet und eine Art Urabstimmung unter den Anhängern der Mitte-Links-Koalition über den Abzug der Truppen aus Afghanistan erzwingen kann.

Bis zur Abstimmung in den Kammern ist mit fortgesetzten Provokationen in der Koalition und mit überraschenden Meinungswechseln in der radikalen Linken zu rechnen. Ein Sturz der Regierung scheint dagegen ausgeschlossen.