Koalition des ­größeren Übels

Neue Regierung in der Slowakei von jörg kronauer

Die neue Regierung der Slowakei ist ein unappetitliches Gebilde. Die Slowakische Nationalpartei (SNS), die vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Róbert Fico in die Koalition aufgenommen worden ist, hat in den neunziger Jahren versucht, gemeinsam mit Jean-Marie Le Pen, dem belgischen Vlaams Blok und antisemitischen Parteien aus Ungarn und Rumänien ein europäisches Bündnis der extremen Rechten zu bilden. Der Vorsitzende der SNS, Ján Slota, plante vor einigen Jahren, ein Denkmal für den slowakischen NS-Kollaborateur Jozef Tiso zu errichten.

Doch auch die abgewählte slowakische Regierung hatte durchaus ihre unangenehmen Seiten. Die bislang mitregierende Partei der ungarischen Koalition (SMK) ist assoziiertes Mitglied der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, einer in Deutschland ansässigen Organisation, die die Zerlegung Europas nach völkischen Kriterien fördert. Die SMK verlangt außerdem die Aufhebung der Beneš-Dekrete. Die von ihr mit gebildete Regierung hat mit der Einführung der so genannten flat tax die bislang wohl radikalste Steuerreform in der EU durchgeführt: Eine umfassende Umverteilung zu Lasten großer, verarmter Bevölkerungskreise und zu Gunsten ausländischer Unternehmen, unter denen deutsche Firmen den ersten Platz innehaben.

Die neue Regierung will das ändern, und das gefällt dem Westen, insbesondere Deutschland, gar nicht. »Fico will Flat-Tax in der Slowakei abschaffen«, titelte Die Welt wütend und ärgerte sich, dass der neue Ministerpräsident die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken und dafür die Einführung des Euro verzögern will. Am ehesten angreifbar ist Ficos Zusammenarbeit mit der rechtsextremen SNS, die er eingegangen ist, um nicht mit den Parteien der abgewählten Regierung koalieren zu müssen, die sich den westlichen Forderungen bedingungslos untergeordnet hatten. Daher geben sich vor allem deutsche Politiker als Antifaschisten, um die SNS aus der Regierung zu drängen und Angehörige der vorigen Regierung wieder an die Macht zu bringen.

Dabei gerät völlig aus dem Blick, dass Ficos Koalition auch in der Slowakei von vielen kritisiert wird. Wer die antifaschistische Basis dort stärken will, tut gut daran, sich nicht mit den Forderungen von FAZ bis taz gemein zu machen, deren Erfüllung letztlich nur die Unterordnung des Landes unter die deutsche Hegemonialpolitik verstärken würden. Im Gegenteil: Wenn es gelänge, die Ausplünderung der Slowakei und den westlichen Revisionsdruck zu verringern, dann entstünden neue Spielräume für den Kampf gegen die SNS.