Die Stimme der Stummen

Der Präsident Venezuelas auf Weltreise von thilo f. papacek

Kaum einer versteht es, so viel Lärm zu schlagen wie er. Während der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran androhte, sollte dessen Atomprogramm über den Monat August weiter laufen, besuchte der venezolanische Präsident Hugo Chávez Teheran. An dem Tag, als der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Syrien dazu aufrief, das Bündnis mit dem Iran zu lösen, drängte es Chávez noch enger an die Seite des Mullah-Regimes.

Bei Chávez’ Besuch am Montag der vergangenen Woche sagte Mahmoud Ahmadinejad, dass er für ihn wie ein »Bruder und Kamerad« sei. Chávez nannte gar die »Islamische Revolution« von 1979 »einen Bruder« der von ihm ausgerufenen »Bolivarianischen Revolution« in Venezuela. Gehören bald öffentliche Hinrichtungen Homosexueller in Caracas zum »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«, den Chá­vez anstrebt? Um die Verbrüderung zu vertiefen, kündigte Chávez an, dass Venezuela »unter allen Umständen und zu allen Zeiten an der Seite des Irans stehen werde«.

Bereits im März des vergangenen Jahres hatten beide Länder ein Verteidigungsabkommen abgeschlossen. Militärisch erscheint dies unsinnig, strategisch ist es das aber nicht unbedingt. Am Donnerstag der vergangenen Woche war der stellvertretende Außenminister des Iran, Manuchehr Mohammadi, zu Gast beim Fernsehsender Telesur in Caracas, der überwiegend von der Regierung Chávez finanziert wird. Er warnte den UN-Sicherheitsrat davor, Sanktionen gegen den Iran zu beschließen. In diesem Fall werde der Ölpreis auf 200 Dollar pro Barrel steigen. Sollte Venezuela ebenfalls die Ölexporte stoppen, scheint dies gar nicht so unrealistisch, sind die beiden Länder doch zwei der größten Ölproduzenten der Welt.

Stürmt Hugo Chávez nun ins diplomatische Abseits? Das Erdöl gibt Chávez beträchtliche Druckmittel in die Hand, zudem schmiedet er etliche Bündnisse mit armen Ländern in Afrika und Lateinamerika. Auf seiner Rundreise, die ihn von Weißrussland über Russland, Iran, Vietnam und Mali nach Benin führte, warb Chávez für sich als geeigneten Repräsentanten der »Armen und Stummen« im UN-Sicherheitsrat. »Venezuela hätte eine starke Stimme im UN-Sicherheitsrat, um die Rechte der Armen zu verteidigen, der Millionen und Abermillionen, die täglich vom Imperialismus und den Eliten der fünf Kontinente überrollt werden«, sagte er am Rande einer Militärparade am Donnerstag der vergangenen Woche.

Wohl um auf die diversen Staatschefs überzeugender zu wirken, brachte Chávez jede Menge Petrodollars mit. Benin bekam 2,9 Millionen Dollar für ein Mikrokreditprogramm. Mit Mali schloss er ein Abkommen, in dem sich Venezuela verpflichtet, Erdöl im Wert von 100 Millionen Dollar zu liefern, im Austausch gegen Baumwolle, Bauxit und Dünger. Ähnliche Verträge über den Handel »Erdöl gegen Rohstoffe« hat Venezuela bereits mit verschiedenen karibischen und lateinamerikanischen Ländern geschlossen ( Jungle World, 47/05).

»Wir müssen uns vereinigen, wir Länder des Südens, gegen die US-Hegemonie, oder wir werden alle sterben«, erklärte er, als er in Malis Hauptstadt Bamako ankam. Um schon einmal zu zeigen, wie sich Venezuela im UN-Sicherheitsrat verhalten würde, zog Chávez am Donnerstag der vergangenen Woche seinen Botschafter aus Israel zurück. Er wolle damit gegen den »Faschismus und Terrorismus« protestieren, den Israel im Libanon ausübe. In einer Welt, in der die Unzufriedenheit mit Armut und Unterdrückung vor allem auf die USA und Israel projiziert werden, ist Chávez mit solch einer Haltung alles andere als isoliert.