Drei Sterne für Nazis

Aufregung in Delmenhorst: Der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger will dort ein leer stehendes Hotel kaufen. von andreas speit

Nur zu gern möchte Jürgen Rieger das »Hotel am Stadtpark« erwerben. In den vergangenen Wochen erklärte der Neonazi­anwalt aus Hamburg wiederholt sein Interesse an der Immobilie in Delmenhorst. »Es besteht ein großer Bedarf an Räumen für rechte Gruppen«, sagte er und gab sich optimistisch: »Ich bin mir sicher, dass im Herbst die ersten Seminare stattfinden können.«

Anfang Juli hatte Rieger sich als Bevollmächtigter der »Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation Limited« bei der Baubehörde über die Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes erkundigt. Standardmäßig wurden die baurechtlichen Anfragen beschieden. Der Name des bekannten Rechtsextremis­ten fiel der Behörde nicht auf. Beim Pressefest der NPD-Zeitung Deutsche Stimme am 5. August hob er hervor: »Ich lasse das als ganz normales Hotel weiterlaufen.« NPD-Parteitage, Schulungen und Tagungen könne er sich vorstellen. Bei der gleichen Gelegenheit hatte er auch geäußert, dass Flüchtlinge so lange »eingesperrt und ausgehungert« werden sollten, bis sie ihr Herkunftsland verrieten, und dass »die Neger« einen »Intelligenzquotienten von 85 Prozent« hätten – »irgendwo zwischen Schwach­sinn und normal begabt«.

Riegers Traum vom Hotel könnte jedoch seit dem Wochenende vorbei sein. Neue Interessenten sollen sich beim Eigentümer vorgestellt haben.

Über 14 Monate stand das ehemals »erste Haus am Platze« leer. Es bietet 100 Zimmer nahe dem Zentrum der niedersächsischen Stadt, gleich am Park. Im Jahr 1992 kaufte Günter Mergel das Hotel als »Altervorsorge« für angeblich 6,5 Millionen Mark. Aus der Altersvorsorge wurde nichts, der 64jährige Unternehmer meldete 2005 Insolvenz an und beschwerte sich, die Stadtverwaltung habe ihn nicht unterstützt. Vorangegangen waren diver­se Prozesse gegen den »Lärmterror« der nahe gelegenen Veranstaltungsorte »Delmeburg« und »Delmehalle« mit Platz für 3 000 Besucher. Tür­kische Hochzeiten sollen seine Gäste gestört und ein Volksfest, der »Kramermarkt«, soll regelmäßig die Zufahrt zum Hotel versperrt haben. »Kein Schwein hat sich um mich gekümmert«, schimpfte er in der taz.

Erkundigt man sich in der Bevölkerung, klingt das etwas anders. Missmanagement habe zum Niedergang des ehemaligen Drei-Sterne-Hotels geführt. »Keine zeitgemäße Einrichtung, kantinenartige Verköstigung und lauwarmer Kaffee«, berichten zwei Passanten. Vom »Ro­senkrieg zwischen der Stadt und dem Hotelbesitzer« spricht ein anderer Fußgänger.

Als Anfang August bekannt wurde, dass Rieger 3,4 Millionen Euro für das marode Hotel geboten hatte, sagte Mergel der Presse: »Ich bin ein armer Mann, ich verkaufe an jeden.« Nur mit der Stadtverwaltung wollte er keine Verhandlungen führen, die den Zeitwert des Hotels unlängst auf 1,5 Millionen Euro geschätzt hatte.

Die Nachricht erschütterte die Stadt mitten im Kommunalwahlkampf. »Die Auswirkungen wären nicht absehbar«, sagte Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU). Die Polizei warnte vor den »unausweichlichen Konfrontationen, wenn Rechte das Hotel nutzen«. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, Wirtschaft und Initiativen entstand in dem Ort mit knapp 80 000 Einwohnern, mit dem Ziel, den Kauf zu verhindern, notfalls auch mit einem »Abwehrkauf«. Fast 2 000 Menschen kamen zu einer Bürgerversammlung; Demonstrationen gegen die »Nazischule« folgten. Über 2 000 Menschen beteiligten sich an einer Unterschriftensammlung gegen das »Nazi-Hotel«. Eine Bürger­ini­tiative »Für Delmenhorst« richtete ein Treuhand­konto ein, Schlachter boten Bratwürste gegen rechts zum Kauf an, Ökobauern Biotomaten gegen rechts. Bis zum Wochenende gingen auf dem Konto 801 142 Euro ein. Die Stadt versuchte derweil, sich ein Vorkaufsrecht über einen Sanie­rungsbeschluss der Innenstadt zu sichern.

Rieger gab sich unbeeindruckt. Dem Ham­burger Abendblatt sagte er: »Die Stadt kann sich das Hotel abschminken. Sie sollen endlich aufhören, uns Knüppel zwischen die Beine zu legen.« Weniger gelassen angesichts des anhaltenden Protests blieb Mergel. »Ich habe die Schnauze voll«, sagte er zu Radio Bremen und kündigte an, Rieger das Hotel schenken zu wollen. Die einzige Bedingung sei nach Angabe seiner Firma »Mergel Marketing Ltd.«, dass die Wilhelm-Tietjen-Stiftung, die rechtlich bloß eine Firma mit einer Briefkastenadresse in London ist, die Immobilie samt den Hypotheken übernehme.

Mit dieser »gemischten Schenkung« sollte das Vorkaufsrecht der Stadt unterlaufen werden. Da der Wert des Objekts die Hypotheken übersteige, sieht Rieger darin kein Problem. Die Stadt kündigte an zu prüfen, ob eine Scheinschenkung vorliege. Diese Überprüfung findet indes nicht mehr statt, um keine weitere Missstimmung aufkommen zu lassen. Denn zum Wochenende hin gelang es einem Vermittler, Stadt und Hotelier einander erstmals wieder näher zu bringen. Der Oberbürgermeister bekundete schriftlich das Interesse der Stadt am Kauf der Immobilie. Gemeinsam werde man ein neues Wertgutachten für sie erstellen lassen.

Aber auch zwei weitere potenzielle Käufer sollen sich gemeldet haben. Am Freitag will sich Mergel mit dem »Vertreter eines Fonds« getroffen haben. Für diese Woche sind Gespräche mit dem englischen Investor »Cardinal Asset« geplant, der im Frühjahr den Bremer »Space Park« für 45 Millionen Euro kaufte, der einst 600 Millionen Euro gekostet hatte.

Über ein Jahr lang wollte Mergel das Hotel verkaufen, aber erst als Rieger sein Angebot unterbreitete, fanden sich auch andere Verhandlungspartner. Hilft ihm der Rechtsextremist beim Abstoßen des maroden Gebäudes? Ähn­liches hätte man in Grafenwöhr vermuten können, als die Stadt eine heruntergekommene Tennishalle, an der die NPD Interesse bekundet hatte, für gut eine halbe Million Euro kaufte. Die Stadt Cham erwarb für eine sechsstellige Summe einen abbruchreifen Supermarkt, ebenfalls weil die NPD angeblich einen Kauf erwogen hatte.

Bisher hatte Rieger jedoch immer wirkliches In­teresse an Immobilien für seine politischen Ideen – und auch das nötige Kapital. In jüngster Vergangen­heit kaufte er das »Schützenhaus« im thüringischen Pößneck und den »Heisenhof« im niedersächsischen Dörverden. Was das Hotel in Delmenhorst angeht, verkündete er, nach wie vor mit einem baldigen Vertragsabschluss zu rechnen. So oder so: Gerd Renker von der Bürgerinitiative »Für Delmenhorst« ist der Meinung: »Mergel pokert.«