Internationale gegen Israel

Eine deutsche Beteiligung an der Uno-Truppe im Libanon soll deren antiisraelische Potenz verschleiern. von tjark kunstreich

Die Erinnerung an die deutschen Verbrechen ist zur ideologischen Spielmarke verkommen, und zwar sowohl zur Legitimation von Kriegen wie zu ihrer Ablehnung. Die vollendete Sinnlosigkeit histo­rischer Parallelisierungen und deren Zurückweisung zeigt sich jedoch in ihrer ganzen grausamen Absurdität dort, wo die historischen Parallelen ebenso real sind wie die Versuche, ihnen zu entkommen. Die Feinde Israels demonstrieren ein ums andere Mal, dass sie das deutsche Vernichtungsprojekt zu vollenden gedenken, während Israel mit allen Mitteln versucht, den ewigen Antisemitismus zu bändigen – es sind immer die Opfer, die der Geschichte zu entkommen versuchen, nicht die Täter. Juden sollten nie wieder wehr­los sein und sich nie wieder auf andere verlassen müssen, wenn es um ihre Sicherheit geht.

Was passiert, wenn Juden es dennoch tun müssen, zeigt sich dieser Tage in Thessaloniki. Die Kommunistische Partei Griechenlands und ihr Jugendverband schüren dort seit dem Beginn der israelischen Offensive gegen die Hiz­bollah eine Pogromstimmung gegen die örtlichen Juden. Es begann mit der Schändung des Mahnmals für die 46 000 deportierten Juden dieser Stadt, das mit antiisraelischen Plakaten versehen wurde, und setzte sich mit Demonstrationen in einem Stadtviertel fort, in dem die jüdische Gemeinde ihre Büros unterhält. Gegen die von den griechischen Kommunisten aufgemachte Gleichsetzung von Juden und Zionisten konnte die dermaßen bedrohte Gemeinde nicht anders als mit der Forderung reagieren, das Gedenken an die deportierten Juden von der aktuellen Politik zu trennen.

In der aufgeheizten antisemitischen Stimmung in Griechenland ist für die Juden ein Bekenntnis zu Is­rael undenk­bar – und dennoch ist die Existenz Israels ihre einzige wirk­liche Sicherheit im Angesicht eines linken Mobs, der in diesem Falle Volkes Meinung vertritt. Vollends zynisch wird die Forde­rung nach der Trennung von Erinnerung an die Shoah und der Positionierung im aktuellen Konflikt jedoch, wenn sie von deutschen Linken erhoben wird – mit dem Zweck, die heutige Selbstverteidigung Israels ihrer historischen Legitima­tion zu berauben. Da­gegen ist eine Position, die historische Verantwortung dahingehend interpre­tiert, deut­sche Soldaten zur Verteidigung Is­raels einzusetzen, allemal sympathischer.

Allerdings bedeutet die Erweiterung des Unifil-Mandats durch den Weltsicherheitsrat nicht nur mit Blick auf die bisherige Geschichte der Unifil-Truppe eine Verschlechterung der strategischen Möglichkeiten Israels, das sich nicht ohne Grund immer gegen eine Internationalisierung des Konflikts gewehrt hat. Waren es doch Unifil-Soldaten, die im Jahr 2000 die Entführung israelischer Soldaten ermöglichten und auf Video aufzeichneten. Als das herauskam, woll­te die Uno Israel den Film nur übergeben, wenn die Entführer unkenntlich gemacht würden. Beim Beschuss einer Unifil-Stellung vor wenigen Wochen fiel die Verurteilung Israels nicht zuletzt deswegen milde aus, weil Unifil-Soldaten selbst zugegeben hatten, dass die Stellung von der Hizbollah genutzt wur­de.

Zurzeit sieht es so aus, als würden Staaten wie Bangladesh und Malaysia, die Israel nicht anerkennen, einen Großteil des Kontingents stellen. Die Europäer, unter ihnen Deutschland, scheinen nicht etwa deswegen zögerlich zu sein, sondern weil die derzeitige Resolution alle Punkte ausklammert, die schon vor Wochen strittig waren. Die zu erwartenden Nachbesserungen werden zu Lasten Israels gehen, obwohl die Hizbollah bereits angekündigt hat, eine Ent­waffnung nicht zu akzeptieren, und die libanesische Armee ihre Aufgabe nicht darin sieht, die Entwaffnung durchzusetzen. Am Ende könnte die Truppe, die antrat, um die Hizbollah zu entwaff­nen und dem Liba­non die Souveränität über das eigene Territorium zurückzugeben, zur Vorhut des internationalen Aufmarsches gegen Israel werden.

Ganz abgesehen davon, dass die Indif­ferenz gegenüber dem SS-Bekenntnis des Günter Grass zum wiederholten Male bezeugt, dass jede Rede von »historischer Verantwortung« hierzulande ein Witz ist: Die deutsche Politik ist nicht pro-israelischer als die französische, auch wenn es ihr gelingt, sie öffentlich anders darzustellen. Insofern wäre die deutsche Beteiligung am Aufmarsch der Uno gegen Israel gerade wegen des besonderen Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel äußerst nützlich. Der geläuterten Nation des Judenmords wird schließlich niemand unterstellen, ganz andere Absichten – etwa das Appeasement gegenüber dem Islamismus – zu verfolgen.