»Muslime sind nicht gewalttätig«

Ein Gespräch über die Islam-Konferenz mit bekir alboga, dem Dialogbeauftragten der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religionen (Ditib), die dem türkischen Staat nahesteht

Was erwartet sich Ihre Organisation von der Konferenz?

Wir erwarten uns die Einleitung eines Dialogprozesses, an dessen Ende die Anerkennung der muslimischen Gemeinden als Religionsgemeinschaften und Körperschaften des Öffentlichen Rechts erreicht wird.

Die Ditib hat zusammen mit dem Islamrat, dem Zentralrat der Muslime und dem Verband der Islamischen Kulturzentren eine Stellungnahme unterzeichnet, in der das Konzept der Konferenz kritisiert wurde, und auch die Zusammensetzung der Teilnehmer. Worum geht es in der Kritik?

Wir gehen mit einer Hoffnung in die Konferenz und ohne Vorbehalt. Wir haben ein gutes Gefühl, dass es dort eine gute Atmosphäre für den Meinungsaustausch geben wird. Dieser Hinweis, dass vielleicht bei der Besetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ausgewogenheit nicht ausreichend berücksichtigt wurde, ist zwar wichtig, aber nur ein Nebensatz der ganzen Erklärung.

Spielte der Nebensatz auf die Teilnahme von Schriftstellern wie Feridun Zaimoglu oder der Soziologin Necla Kelek an?

Niemand hat uns gefragt, was wir darüber denken. Letztlich ist es die Sache des Innenministers, er hat sie eingeladen. Natürlich reden wir mit allen, die der Innenminister einlädt.

Wie stehen Sie zur Teilnahme von Gruppen wie Milli Görüs?

Ich weiß noch nicht, wer genau daran teilnimmt.

Aber möglicherweise könnten über den Islamrat einzelne Vertreter von Milli Görüs dabei sein. Hätten Sie grundsätzlich ein Problem damit?

Ich habe ja gesagt, wir reden mit jedem, mit dem das Innenministerium redet.

Was sind derzeit die gravierendsten Probleme im Zusammenleben in Deutschland, die sich den Muslimen stellen? Und woher rühren die Probleme?

So lange man die Muslime als Religionsgemeinschaft und Körperschaft des Öffentlichen Rechts den christlichen und jüdischen Gemeinden nicht gleich stellt, wird der Generalverdacht und das Gefühl der Benachteiligung bestehen bleiben. Das ist für mich momentan das größte Problem. Denn wenn es zur Anerkennung kommt, dann wird die Öffentlichkeit sich davon überzeugen, dass die muslimischen Gemeinden friedfertig sind.

Das Bild der Muslime ist sehr stark geprägt vom islamistischen Fundamentalimus. Was tun Sie dagegen?

Wir haben 50 000 Menschen auf die Straße gebracht und gegen Terrorismus demonstriert und für den Frieden. Nach jedem terroristischen Ereignis haben wir den Terrorismus schriftlich verurteilt. Wir bitten die Massenmedien herzlich darum, unsere Verurteilungen des Terrors der Öffentlichkeit zu Gehör zu bringen. Die Konferenz ist auch in dieser Sache einer der wichtigsten Schritte, ein Meilenstein.

Wenn man sich an den Streit über die Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten erinnert oder nun die Debatte über die Äußerungen des Papsts verfolgt, bekommt man den Eindruck, dass immer dann, wenn die Gewalt der radikalen Muslime kritisiert wird, eine gewalttätige Reaktion darauf erfolgt.

Es leben auf der Welt rund 1,5 Milliarden Menschen muslimischen Glaubens. Wenn insgesamt 10 000 nach der Rede des Papstes auf die Straße gehen, dann zeigt das doch, dass die Muslime nicht gewalttätig sind, ganz im Gegenteil. Man sieht doch, wie klein die Anhängerschaft dieser Islamisten oder Extremisten in der islamischen Welt ist. Wenn 1,5 Milliarden Menschen heftig darauf reagieren würden, dann würde die Welt toben. Aber das haben doch die Muslime in ihrer ausschlaggebenden Mehrheit nicht gemacht.

Man hört immer von den so genannten Hasspredigern, die in den Moscheen zu Gewalt gegen Israel aufrufen oder zu Selbstmordattentaten und den Hass gegen die USA predigen. Für wie groß halten Sie dieses Problem in Deutschland?

Man möge uns einige Namen dieser Imame nennen. Bei der Ditib gibt es überhaupt keinen Vorfall, und wir sind die größte muslimische Organisation in Deutschland. Es kann durchaus sein, dass in den Reihen der Gläubigen manche den Hass auf Judentum und Christentum predigen. Aber deswegen kann man nicht sagen, dass es die Regel ist.

In Ludwigshafen hat man während eines Abschlussgottesdienstes an einer Schule einen Psalm zitiert, in dem gesagt wird: »Herr, ich hasse den, der Dich hasst. Töte sie!« Ich kann wegen dieses Zitates nicht sagen, dass in allen Schulen Hass gepredigt wird. Ich kann auch nicht sagen, wenn ein Lehrer in Hessen die Evolutionstheorie ablehnt, dass alle Schulen in Deutschland unwissenschaftliche Dinge verbreiten. Ich bitte doch darum, die Relation zu beachten. Wir Muslime lassen nicht zu, dass in unseren Moscheen Hass gepredigt wird.

Glauben Sie, dass in der Berichterstattung übertrieben wird?

Das sowieso. Man berichtet viel weniger über positive Dialoge und Beiträge zur Integration von Muslimen, sondern stellt diese Einzelfälle groß heraus.

Welche Meinung vertritt die Ditib in der Frage, ob Islamunterricht an Schulen eingeführt werden sollt?

Dieser Unterricht müsste längst eingeführt sein. Ich sehe das genauso wie unser Präsident Horst Köhler.

Viele Muslime stehen unter dem Verdacht, sie würden Frauen unterdrücken. Welche Frauenpolitik betreibt Ihr Verband?

Jede Art von Gewalt, ob zu Hause oder nicht zu Hause, verurteilen wir aus unserer tiefsten religiösen Überzeugung. Wenn ein Muslim zu Hause Gewalt anwendet, schämen wir uns dafür und verurteilen es in unserer Gemeinschaft. Aber ich bitte Sie, auch in dieser Frage zu berücksichtigen, dass es nicht nur muslimische oder türkische oder kurdische Familien gibt, in denen häusliche Gewalt angewandt wird, sondern es gibt auch deutsche und christliche Familien, in denen so etwas passiert. Deswegen sollten wir unbedingt darauf achten, den Generalverdacht nicht zu verstärken. Es gibt diese Probleme, aber nicht in dem Maße, dass man sie nicht abschaffen könnte. Wenn in Deutschland sechs Prozent der Kinder im Jahr sexuell missbraucht werden, kann ich doch auch nicht sagen, dass alle Deutschen Kinderschänder sind.

Werden Sie denn während der Islam-Konferennz etwas zu sich nehmen? Es gab ja auch eine leichte Verstimmung darüber, dass die Konferenz ausgerechnet während des Ramadans stattfindet.

Nein, ich werde fasten.

Aber es ist kein Problem, dass die Konferenz während dieser Zeit stattfindet? Oder hätten Sie die Konferenz lieber zu einem anderen Zeitpunkt abgehalten?

Nein, es ist auch schön im für uns Muslime gesegneten Monat Ramadan, in dem der gnadenreiche Koran offenbart wurde, einen Dialog zu führen. Vielleicht können wir in einer gesegneten Stunde größere Erfolge erzielen.

interview: stefan wirner