Von der Leine gelassen

Die rechtsextreme Propagandaschlacht zur Wahl hat offensichtlich die FPÖ gewonnen. Das BZÖ wird wohl den Einzug ins Parlament nicht schaffen, das wäre das Ende der Regierungskoalition und der politischen Karriere Haiders. von heribert schiedel, wien

Wenn am 1. Oktober gewählt wird, geht der wohl unappetitlichste Wahlkampf in der jüngeren Geschichte Österreichs zu Ende. Vorbei dürfte es dann auch mit der Koalition zwischen ÖVP und dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) sein: Allen Prognosen zufolge wird das Bündnis, eine neoliberale Abspaltung von der FPÖ, das am 1. Oktober vergangenes Jahr von Jörg Haider gegründet wurde, den Einzug in den Nationalrat nicht schaffen. Damit wäre wohl endlich auch Haider Geschichte.

Das drohende politische Ende vor Augen, konzentriert sich das BZÖ auf Kärnten, wo man hofft, ein Direktmandat zu erringen. Nur hier weist die Truppe unter Landeshauptmann Haider einen gewissen Organisationsgrad auf. Und weil man in Kärnten eine Mehrheit nur gegen die slowenische Minderheit gewinnen kann, versuchte sich Haider intensiver als jemals zuvor als deutschnationaler »Abwehrkämpfer«. Offen setzte er sich über Verfassung und Staatsvertrag hinweg, als er die Aufstellung weiterer zweisprachiger Ortstafeln verhinderte. Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs kündigte er in Inseraten unter dem Titel »Kärnten wird einsprachig« gar die gänzliche Streichung der slowenischen Ortsbezeichnungen an.

Bundesweit schickt das BZÖ den ehemaligen FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler ins Rennen. Mit der Ankündigung, er wolle Innenminister werden, um dann höchstpersönlich den »Ausländeranteil« um die versprochenen 30 Prozent zu reduzieren, machte er seinen ehemaligen Kameraden von der FPÖ den Status als die größten Inländerfreunde streitig. Aber Westen­tha­ler verdanken wir auch den (unfreiwillig) komischsten Beitrag: Im Fernsehen präsentierte er einen Brief des Alpenvereins, in dem auf die Forderung eines prominenten Vertreters der muslimischen Gemeinde, die Gipfelkreuze durch Halbmonde zu ersetzen, eingegangen wurde. Was als Beleg für die drohende Islamisierung herangezogen worden war, entpuppte sich als Aktion einer Spaßguerilla, die mit dieser Fälschung den Rechtspopulismus vorführen wollte.

Von sich reden machte auch der Zweite auf der BZÖ-Bundeswahlliste, Veit Schalle. Der ehemalige Chef eines großen Lebensmittelkonzerns bezeichnete gegenüber dem Nachrichtenmagazin profil das NS-Wirtschaftsprogramm als »beeindruckend«. Zuvor hatte er die SlowenInnen darauf hingewiesen, dass sie in Kärnten nur ein »Gastrecht« hätten.

Vergangene Woche sorgte ein Interview, das der deutsche Sozialwissenschafter Oliver Geden im Jahr 2004 mit dem späteren Staatssekretär der BZÖ, Eduard Mainoni, geführt hatte, für Aufregung: Damals hatte Mainoni gestanden, dass die ÖVP-FPÖ-Regierung mit den Entschädigungszahlungen an ehemalige ZwangsarbeiterInnen bloß an internationaler Reputation gewinnen wollte: »Da haben wir uns eingekauft.« Die Zahlungen seien initiiert worden, um nach der internationalen Isolation der schwarz-blauen Koalition eine »liberale« Haltung zu signalisieren. Weil mit diesem Geständnis die zentrale Legitimationsstrategie der rechtskonservativen Koalition in sich zusammenbrach, reagierten ÖVP-Politiker prompt. Nationalratspräsident Andreas Khol wies Mainonis Offenheit »entrüstet zurück«: »Das war Ethik und nicht Kalkül.«

Aus dem Konkurrenzkampf um das rassistisch-autoritäre Stimmpotenzial dürfte die FPÖ als eindeutige Siegerin hervorgehen. Ihr werden über zehn Prozent der Stimmen prognostiziert. Mit Parolen wie »Daham (Zu Hause, H. S.) statt Islam« oder »Pen­sionen statt Asylmillionen« und Forderungen wie der nach der Einführung eines Verwaltungsstraftatbestandes »Anpassungsverweigerung« oder der Entziehung der Staatsbürgerschaft bei »fortgesetzter politischer Agitation« will die Partei an alte Oppositionszeiten anknüpfen. Nach der Spaltung der Freiheitlichen in einen neoliberal-postfordistischen und einen nationalsozial-fordistischen Flügel ließen Letztgenannte jede Zurückhaltung fallen. Der Parteivorsitzende der FPÖ, Heinz-Christian Strache, wie die gesamte Führungsmannschaft burschen­schaftlich sozialisiert, signalisierte schon im Mai angesichts einer angeblichen »Überfremdung« seine Bereitschaft, »den Kampfanzug anzuziehen«.

Auch mit den zahllosen Verweisen auf die Türkenkriege und der Rede vom »Überlebenskampf unserer Kultur« wurde an rassistische Militanz appelliert. Prompt deponierten mutmaßlich Neonazis am 11. September einen Sprengsatz vor dem Büro der Muslimischen Jugend Österreich.

Aber auch die SPÖ wollte nicht abseits stehen und stellte im Juni ein »Zehn-Punkte-Programm« zur Zuwanderung vor. Diese sei »österreichischen Interessen« zu unterwerfen. Und um die »österreichische Identität« macht sich nun auch die SPÖ öffentlich Sorgen. Die von Seiten der Konservativen angestrebte und in Teilen zunächst auch erfolgreiche »Zähmung« der freiheitlichen Radaubrüder entpuppte sich als wenig nachhaltig. Kaum aus der Regierungsverantwortung entlassen, positionierte sich die FPÖ offener als je zuvor im Rechtsextremismus. Wahlaufrufe von prominenten Neonazis und die Teilnahme des NS-Kaders Gottfried Küssel an einer freiheitlichen Veranstaltung in Braunau am 26. August ließen sogar das BZÖ von einer »braunen Partei« sprechen.

Dass nun die ÖVP verspricht, mit der FPÖ keine Koalition zu bilden, sollte nicht allzu ernst genommen werden. Bereits im Jahr 2000 ließ sich Wolfgang Schüssel entgegen aller vorherigen Beteuerungen von der FPÖ zum Kanzler machen. Aber dennoch weist diesmal mehr auf eine ÖVP-SPÖ-Koalition hin. Die Freiheitlichen können sich dann in der Opposition wie schon unter Haider als die bessere Sozialdemokratie (»soziale Heimatpartei«) regenerieren.

Wenn FPÖ und BZÖ auch die Grenzen politischer Gestaltungsmöglichkeiten im Zeitalter von Neoliberalismus und Globalisierung anerkennen mussten, so konnten sie die Regierungsbeteiligung doch in mehrerlei Hinsicht nutzen: Hier wäre an erster Stelle die Besetzung führender Stellen im Beamtenapparat und in der staatsnahen Wirtschaft zu nennen. Aktuell sorgt die Unverschämtheit, mit der Burschenschafter sich im Forschungszentrum Seibersdorf, der größten außeruniversitären For­schungs­einrichtung Österreichs, breit machten, für Aufregung.

Dauerhafte Spuren hat die freiheitliche Regierungsbeteiligung im universitären Bildungsbereich hinterlassen. Studiengebühren und die weitgehende Einschränkung studentischer Mitbestimmung verbuchen FPÖ/BZÖ öffentlich auf ihrem Konto. Hingegen wäre die weitere Verschärfung der Migrationspolitik wohl auch unter sozialdemokratischer Mitverantwortung erfolgt. Dies hat die SPÖ auch mit ihrer Zustimmung zum umstrittenen Fremdenrechtspaket deutlich gemacht.