Wirf doch, Bulle!

Randale im Schanzenviertel

Das traditionelle Hamburger Schanzenvier­telfest Anfang September endete auch in diesem Jahr mit brennenden Barrikaden und Schar­mützeln zwischen Besuchern des Fests und rund 1 000 Polizeibeamten. Insgesamt wurden 29 Personen u. a. wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs und der Sachbeschädigung in Gewahrsam genommen. Die Polizei setzte allein rund um die Rote Flora sieben Wasserwerfer ein.

Doch einige Hamburger Polizisten hatten vor dem Fest offenbar das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der anstehenden Randale verloren. Jedenfalls verabredeten sich drei Mitglieder des Hamburger MEK und ein Beamter einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in ihrer Freizeit zu einer abendlichen Visite des Schanzenfestes. Mindestens ein Beamter dieser Freizeittruppe soll sich dann mit einem Flaschenwurf gegen einen Wasserwerfer an den Ausschreitungen beteiligt haben. Die polizeiliche Amtshilfe der besonderen Art haben zwei eingesetzte Bereitschaftspo­lizisten beobachtet, die umgehend ihren Vorgesetzten Meldung erstatteten.

Inzwischen ermittelt das polizeiliche Dezernat Interne Ermittlung (DIE) gegen den 35jährigen Polizeibeamten wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs. Die Beamten, die den polizeilichen Flaschenwerfer begleiteten, wollen angeblich nichts vom Straßenkampf ihres Kollegen mitbekommen haben. Der suspendierte Beamte seinerseits bestreitet die Vorwürfe und hat sich einen Anwalt genommen.

Hamburgs Medien reagieren mit ungläubigem Staunen. »Polizist ein Randalierer?« fragt das Hamburger Abendblatt verstört und spricht von einem »unglaublichen Vorfall«. Für die Hamburger Morgenpost steht die Scheidung zwischen Gut und Böse infrage. Für sie ist der Vorgang einfach nur »das Unfassbare«. Die Bild-Zeitung, in der Regel das Fachorgan für die Geißelung einfacher und schwerer Landfriedensbrüche in Hamburg, handelt den Vorgang schamhaft als Zweizeiler in den Kurzmeldungen ab. In der Welt schreibt der Polizeireporter schließlich von einem »bis­lang einmaligen Fall« und analysiert mit krimi­nologischem Scharfblick: »Ein Chaot arbeitet als Polizist.«

Der Hamburger Polizeipräsident Werner Jan­tosch, der normalerweise schon allein aus Zeit­gründen die regelmäßigen dienstlichen Eskapaden von Polizisten, die sich wie »Chaoten« geben, nicht kommentieren kann, empfindet den Vorgang sinnigerweise als »Schlag ins Gesicht aller Polizeibeamten«. Dem beschuldigten Beamten indes droht das Ende seiner dienstlichen Karriere. Er musste seinen Dienst­ausweis abgegeben und erhielt neben seiner Suspendierung Hausverbot bei der Hamburger Polizei. Die ihn begleitenden Kollegen werden an andere Dienststellen versetzt. So verliert das ohnehin von Nachwuchssorgen geplagte Hamburger MEK auf einen Schlag drei Beamte, die Hamburger BFE muss einen Kollegen ziehen lassen.

Warum allerdings gegen die drei Begleiter des suspendierten Beamten keine strafrecht­lichen Ermittlungen eingeleitet werden, bleibt vorerst das Geheimnis der Hamburger Polizei. Denn die vier zum abendlichen Besuch des Schanzenfestes verabredeten Polizisten, zu dem der Krawall absehbar dazugehört wie die Motorradstaffel zur Polizeischau, hätten sich angesichts der Ausschreitungen ohnehin selbst von der Freizeit in den Dienst versetzen müssen. Zum Zeitpunkt, als der 35jährige Poli­zist die Flasche gegen den Wasserwerfer warf, gingen jedenfalls kistenweise Flaschen auf die eingesetzten Beamten nieder. Rätselhaft, dass die speziell zur Observation und Täter­beobachtung ausgebildeten Beamten das alles nicht bemerkt haben wollen.

andreas blechschmidt