Prügel für den Minister

Der Giftmüllskandal in der Côte d’Ivoire

Acht Menschen sind tot, 66 liegen im Kranken­haus, und über 60 000 haben sich in ärzt­liche Behandlung begeben. Das ist die vor­läufige Bilanz der ökologischen Katastrophe in der Côte d’Ivoire, die Mitte August mit der Entladung von Giftmüll im Hafen der Wirtschaftsmetropole Abidjan begann.

Die »Probo Koala«, die die tödliche Ladung transportiert hatte, wurde Mitte voriger Woche von den Behörden Estlands im Ostseehafen Paldiski am Auslaufen gehindert. Sehr konsequent hatten Eigner und Nutzer zuvor die Möglichkeiten ergriffen, die ihnen die kapitalistische Globalisierung bot. Das 17 Jahre alte Schiff gehört der griechischen Reederei Prime Marine Management INC und fährt mit einer aus Russland stammenden Mannschaft steuergünstig unter panamesischer Flagge. Nach Abidjan fuhr es im Auftrag einer multinationa­len Firma namens Trafigura Beheer BV, die ihren steuerlichen Sitz in Amstelveen bei Amster­dam hat, da die Abgaben für ausländische Unternehmen dort besonders niedrig sind. Ihre Firmenzentrale befindet sich im schweizerischen Luzern und ihr operatives Zentrum in London. Ihr Chef ist ein Franzose, Claude Dauphin. Die Kapitalanteile sind in zur EU gehörenden Steuerparadiesen registriert, bei einer Holding in Malta, auf der Kanalinsel Jersey sowie auf den niederländischen Antillen.

Am 19. August lief die »Probo Koala« im Hafen von Abidjan ein, mit Abfällen aus der Erdölverarbeitung an Bord. Mehrere Fahrer von Tankwagen wurden für umgerechnet 185 Euro – das Doppelte ihres Monatsgehalts – engagiert, um die dickflüssige Brühe aus dem Schiffsrumpf zu löschen. Ihnen wurde erzählt, es handele sich nur um verschmutzte Abwässer, die bei der Reinigung angefallen seien. Diese sollten sie auf die Mülldeponie von Akoué­dou, einem Stadtteil der vier Millionen Einwohner zählenden Metropole, transportieren. Aber wegen des extremen Gestanks wurden die Fahrer von der dortigen Bevölkerung, die auf die Barrikaden ging, am Abladen gehindert. Daraufhin entsorgten sie die Fracht auf eigene Faust an insgesamt 17 verschiedenen Orten in der Stadt. Wochenlang lag ein Gestank von faulen Eiern über Abidjan. Zahl­rei­che Anwohner beklagten sich über Kopf­schmer­zen, Atembeschwerden, Übelkeits­an­fälle und Hautausschläge.

Die Côte d’Ivoire ist infolge eines Bürgerkriegs geteilt, die seit einem Jahr fälligen Präsidentschaftswahlen können nicht stattfinden. Die Uno hat Charles Konan Banny als Premierminister eingesetzt, um ein politisches Gleichgewicht zu halten. Die Anhänger von Präsident Laurent Gbagbo und die von Konan nutzten die günstige Gelegenheit für gegenseitige Schuldzuweisungen und beschuldigten einander, ihre jeweiligen Leute im Staatsapparat hätten die Augen vor den Risiken verschlossen, gegen gutes Geld.

Wahrscheinlich trifft das für beide Seiten zu. Konan Banny und sein Kabinett traten am 6. September zurück. Sie bildeten elf Tage später eine neue Regierung, der bisherige Umwelt- und der Transportminister verloren ihre Posten. Auch einer der Hauptfinanziers der Präsidentenpartei von Laurent Gbagbo wurde inhaftiert: Marcel Gossio, der Direktor des Hafens. Sein Haus wurde von aufgebrachten Bewohnern angezündet, die auch den ent­lassenen Transportminister auf offener Straße verprügelten.

Die Verantwortlichen in Europa werden sie hingegen nicht so leicht in die Finger bekommen. Außer Claude Dauphin: Nach Ausbruch des Skandals flog er nach Abidjan, um den weit­hin als korrupt bekannten Behörden eine »gütliche Einigung« anzubieten. Doch am Flughafen klickten dann die Handschellen.

bernhard schmid