Einsame Spitze

Entscheidung für Exzellenz-Unis von fabian sänger

Entweder der Fußballverein hat genug Geld, dass er sich dauerhaft die besten Topstars zusammenkaufen kann, oder er braucht eine gute Nachwuchsarbeit. Im Bundesligageschäft ist diese Erkenntnis eine Binsenweisheit. Der Vergleich mit dem Bildungssystem liegt scheinbar auf der Hand. Allerdings ist der Sinn der Fußball-Bundesliga einzig und allein die Konkurrenz, der Wettkampf. Das allein macht aus einer Körperertüchtigung eine attraktive und Gewinn bringende Zuschauersportart.

Bei der Entscheidung, drei deutsche Universitäten als Exzellenz-Unis auszuzeichnen und mit Geld zu überschütten, haben die Verantwortlichen offenbar das Modell Bundesliga vor Augen gehabt. Dabei ging es ihnen eigentlich um die Nationalmannschaft! Darum, Deutschland einen besseren Platz im globalen Wettbewerb zu verschaffen. Doch eine gute Nationalmannschaft kann man sich, anders als einen guten Bundes­ligaclub, nicht zusammenkaufen.

Nicht allein die Tatsache, dass nach bald 40 Jahre währender post-68er und sozialdemokratisch geprägter Bildungsrhetorik wieder von »Elite«-Bildung die Rede ist, ist der Skandal. Nichts spräche gegen die Förderung von wissenschaftlicher Qualität, aber die Verantwortlichen begreifen offenbar nicht im Ansatz, was sie da tun.

Geld fehlt an allen Ecken und Enden, hunderte Studierende quetschen sich in einen Vorlesungsraum, Angebote werden gestrichen, der Zugang zu Bildung wird nicht zuletzt durch die Einführung von Studiengebühren systematisch erschwert, an den Hauptschulen grassiert die Resignation. Überhaupt die Hochschulreife zu erlangen, ist schon ein Problem. Wo der bildungspolitische Richtwert ist, um noch einmal den Vergleich zu bemühen, möglichst wenigen jugendlichen Kickern den Weg zum Profifußball zu eröffnen, da ist der Beschluss, drei Vereinen mal eben zwei Milliarden Euro zuzustecken, derart absurd, dass starke Zweifel an der Bildung der politisch Verantwortlichen angebracht sind.

Dass einzig wirtschaftliche Kriterien bei dieser Entscheidung eine Rolle spielten, ist aus wissenschaftlicher Sicht obszön genug, doch auch volkswirtschaftlich ergibt sie keinen Sinn. Der Aufstieg einiger führt logischerweise zum Abstieg der restlichen Hochschulen. Die Exzellenz-Unis drohen im wahrsten Sinne des Wortes, einsame Spitze zu werden.

Auch werden offenbar die Anforderungen des Marktes nicht erkannt. Man hat zuweilen den Eindruck, als entstünde mehr HTML-Text als anzubietender Inhalt, als könnten mehr Leute mit Gentechnologie umgehen als ihren Sinn und Zweck erklären. An der Auswahl der drei Elite-Unis waren fast nur Naturwissenschaftler beteiligt, Geisteswissenschaften werden zunehmend als überflüssig angesehen. Nicht gebildet soll der deutsche Nachwuchs sein, sondern ausgebildet. Ob er dann mit dem Master-Abschluss in der Tasche den Hartz-IV-Antrag auszufüllen vermag, ist allerdings nicht gesagt.

Man muss gar nicht mit Argumenten wie Chancengleichheit kommen: Jede OECD- und Pisa-Studie belegt aufs Neue, dass das Konzept Breitenförderung und nicht das Konzept Elitenförderung zu wissenschaftlicher Qualität führt. Doch diese Erkenntnis wird mit einer solchen Ignoranz verdrängt, dass man sich fragen muss, ob die zuständigen »Eliten« wirklich noch alle Tassen im Schrank haben – oder das Ziel, die Karre ganz exzellent vor die Wand zu fahren.