Geister rauchen

Berliner Diskussion ums Rauchverbot

Wer sonst nichts kann, kann immer noch verbieten, sagte einmal ein Lehrer an einem Gymnasium nahe Hannover in den frühen siebziger Jahren. Der herausragende Kenner der spanischen Literatur und der anarchistischen Bewegungen im Spanien der zwanziger Jahre nahm mit dem Satz Bezug auf den von den Sozialdemokraten verantworteten Radikalenerlass. Das in der vorigen Woche vom rot-roten Berliner Senat vorgeschlagene Rauchverbot in öffentlichen Räumen wie Restaurants und Kneipen steht in einer langen Traditionslinie sozialdemokratischer Politik, wie sie, mit nur unwesentlichen Abweichungen, auch die SED betrieb.

Mit dem Rauchverbot an öffentlichen Versammlungsorten setzt die Sozialdemokratie ihre Geistvernichtungsarbeit unbeirrt fort. Der Geist hat nämlich alles, was die SPD hasst. Er ist leicht, flüchtig, beweglich, unzuverlässig und alles andere als bodenständig. Merkmale, die man unschwer auch dem Rauch einer Zigarette zuschreiben kann. Deshalb passen die SPD und Zigarettenrauch nicht oder nicht mehr zusammen. Dass ausgerechnet Helmut Schmidt, der Exekutor des Radikalenerlasses, bei »Beckmann« Kette rauchen durfte, lässt sich nur mit Greisentrotz erklären.

Es ist interessant, die Geschichte der Rauchdiskreditierung in den Achtzigern nachzuzeichnen. Es begann mit einem Ratschlag an die Karikaturisten in einer Humorkritik in der Titanic. Hans Mentz machte darin deutlich, dass man Industriemanager nicht mehr als Zigarre rauchende Fettsäcke darstellen könne. Der Manager neuen Typs habe sich das Rauchen längst abgewöhnt und lege Wert auf Fitness und Schlankheit. Aus den Manageretagen drang die Rauchverachtung in die damaligen sozialen Bewegungen vor. In Universitätsseminaren und öffentlichen Diskussionsforen waren es insbesondere aggressive Frauen aus der Kernseifenfraktion, die das Rauchverbot agitatorisch durchzusetzen versuchten.

So geschah es auch Mitte der Achtziger auf einer Veranstaltung über »Mythos oder Aufklärung« im Hamburger Thalia-Theater. Auf der Bühne saß neben George Tabori, Karl Markus Michel und Fritz J. Raddatz der rauchende Heiner Müller, als eine Frau das Verbot des Rauchens forderte. Müller erzählte daraufhin eine Anekdote von einem Besuch bei dem Philosophen Ernst Bloch. Bloch war zu jener Zeit, so Müller, bereits der Greis, der wieder Kind wird, und lag im Bett, als Müller fragte, ob er rauchen dürfe. In dem Moment griff Bloch flink unter seine Matratze, um Rauchzeug und Feuer hervorzuholen. »Rauchen Sie ruhig. Ich habe es mein ganzes Leben getan. Nur jetzt verbietet es mir meine Frau«, sagte er und nutzte die Gelegenheit, selbst in den verbotenen Genuss zu kommen.

Im Thalia-Theater hatte sich mit dieser Geschichte das Rauchverbot erledigt. Es gab keine Abstimmung und keine weiteren Proteste. Dafür erhielt das Publikum noch eine Kostprobe von Müllers Esprit. Als Raddatz sich darüber beklagte, dass man im Theater zu jener Zeit dauernd Schildkröten über die Bühne laufen sehe, ohne erklärt zu bekommen, warum ausgerechnet Schildkröten, antwortete Müller: »Dann setzen Sie nur mal zehn andere Tiere an die Stelle der Schildkröte, dann werden Sie schon merken, warum es eine Schildkröte sein muss.«

Und genau um die Vernichtung dieser leichten Geistigkeit, für die man in Frankreich das Wort esprit erfand, geht es beim Rauchverbot. Es geht um die Zerstörung geistreicher Geselligkeit, das Feindbild jeder Sozialdemokratie.

cord riechelmann