Der große Unbekannte

Debatte um den Hamburger ­Landesvorsitzenden der SPD

Der Hamburger Politiker Mathias Petersen (SPD) hat einen Plan. Er möchte im Jahr 2008 den zurzeit mit absoluter Mehrheit regierenden Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ablösen. Das Problem an der Sache ist, dass außer Herrn Petersen und seinen Parteifreunden bisher niemand von dem Plan weiß.

Gerade einmal 13 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg kannten den 51jährigen Landesvorsitzenden der So­zial­demokraten im August dieses Jahres, schenkt man einer Umfrage Glauben. Mit diesem bedauernswerten Ergebnis ist Petersen immer noch der bekannteste SPD-Politiker der Stadt, was dazu geführt hat, dass die CDU längst neben der Regierungsarbeit auch die Oppositionsarbeit in die Hand genommen hat. Ohne ein offensichtliches Zutun der politischen Gegner, trotz der SPD-Opposition sozusagen, haben die Christdemokraten nach Umfragen im Oktober ihre Regierungsmehrheit im Land verloren. Der Grund dafür, dass der Senat derzeit wenig beliebt ist, dürfte die Rücknahme des im Jahr 2004 per Volksentscheid installierten neuen Wahlrechts in Hamburg sein. Dieses Wahlrecht hätte Wählern einen größeren Einfluss auf die zu wählenden Kandidaten der Parteien gegeben.

Sorgen muss sich Ole von Beust dennoch nicht machen, denn sein Kontrahent Petersen unternimmt alles in seiner Macht Stehende, um den Stim­mungs­umschwung zugunsten seiner Partei wie­der zunichte zu machen. Beflügelt durch die derzeit geringe Popularität der CDU und getrieben von seiner eigenen Unbekanntheit, ließ er die Bild-Zeitung seine Ansichten zur Kriminalitätsprävention verbreiten: Er möchte die Namen und Adressen von rechtskräftig verurteilten Sexualstraftätern im Internet veröffentlicht sehen und hält das für einen Beitrag zum Schutz von Kindern und Frauen.

Mit den gleichen Forderungen trat zuletzt vor allem die NPD auf Kundgebungen gegen »Kinderschänder« in Hamburg öffentlich auf. Entsprechend fassungslos reagierten Petersens Genossen, bezeichneten den Vorschlag als rechts­po­pu­lis­tisch und sagten, er schade damit »dem Ansehen der Sozialdemokratie in Hamburg«. Petersen spiele »dem wieder aufkeimenden braunen Sumpf in die Hände«. Einige SPD-Ortsverbände drohten sogar damit, ihrem Landesvorsitzenden die politische Unterstützung zu entziehen. So musste Petersen auf einer Sitzung des Landesvorstands vergangene Woche klein beigeben. »Ich habe gelernt, dass das zum jetzigen Zeitpunkt rechtsstaatlich nicht machbar ist«, gab er etwas trotzig zu Protokoll.

Schleswig-Holsteins Justizminister Uwe Döring (SPD) ging sogar so weit, im Hinblick auf seinen Hamburger Parteifreund zu sagen: »Auch eine SPD-Mitgliedschaft scheint nicht vor Dummheit zu schützen.« Diese Einschätzung über den Oppositionsführer dürften viele Hamburger, über Parteigrenzen hinweg, unwidersprochen teilen. Zu Petersens Glück verfügt die SPD jedoch zurzeit über keinerlei personelle Alternative. Auch dürfte er jetzt immerhin etwas bekannter sein. Und bis er den Wählern klar machen muss, dass er der Spitzenkandidat der SPD und nicht der NPD ist, hat er ja noch über ein Jahr Zeit.

andreas blechschmidt